Nikolaus sehr „bös und wild“

Der heilige Nikolaus ist kein Erziehungshelfer

AUGSBURG – Mit dem Weihnachtsmann hat der Nikolaus nichts zu tun. Dies war für die 15 Teilnehmer des Zertifikatskurses durchaus nichts Neues. Doch was verbirgt sich hinter der geschichtlichen Gestalt des Bischofs aus Myra? Wie kann die zeitlose Botschaft des Heiligen mit dem Leben der besuchten Kinder und ihren Familien verknüpft werden?

Diese Fragen waren dem Seelsorgeamt der Diözese wieder eine Ganztagsveranstaltung wert. Bereits zum fünften Mal wurde das Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken zur Durchführung eines Kurses rund um das Nikolausspiel beauftragt.

Im Struwwelpeter zeigt sich der Nikolaus „bös und wild“ und tunkt die Kinder ins Tintenfass. Die Pädagogisierung des Nikolaus als „mahnender Zeigefinger der Erwachsenen“ ist aus christlicher Sicht jedoch nicht erwünscht. Dies macht Julian Heese seinen Kursteilnehmern schnell klar. Als Referent für christliches Brauchtum beim Bonifatiuswerk Paderborn hat er im Vorfeld zum 6. Dezember viel zu tun. An vielen Orten wollen Nikolausdarsteller wissen, was es für einen gelingenden Besuch des Bischofs aus Myra zu berücksichtigen gilt und nehmen Gesprächsimpulse und Praxisübungen dankbar an. 

Im Augsburger Kurs kamen Nikolausdarsteller aus allen Teilen der Diözese, Gäste sogar aus Niederbayern und Südtirol. Neben frischgebackenen Nikoläusen gab es auch einige „alte Hasen“. Christian Higl aus der Pfarrei Ichenhausen etwa, der seit 18 Jahren den Nikolaus spielt. Neben den Besuchen in Kindergarten und in der Grund- und Mittelschule in Hollenbach hat er 32 Hausbesuche in drei Tagen vor sich. Da schadet es nicht, noch ein wenig Handwerkszeug für seine Einsätze mitzukriegen. „Der Nikolausbesuch ist mancherorts ein richtiges kleines Familienfest, zu dem auch die Großeltern eingeladen sind“, hat er festgestellt. 

Referent Julian Heese ermutigt die Teilnehmer, in Dialog mit den Kindern zu treten. Da kann ein türkischstämmiges Kind in der Kita angesprochen werden, ob es in der Heimat seiner Eltern den Ort Demre, wie Myra heute heißt, kennt. Die Kursteilnehmer werden angeregt, Anknüpfungspunkte zur Lebenswelt der Kinder herzustellen. „Ein Nikolausauftritt ist die Vermittlung der Frohen Botschaft“, betont der Referent die Intention der Kirche. Wichtig ist ihm, dass das goldene Buch nicht als Sündenregister missbraucht wird. „Der Nikolaus ist kein Erziehungshelfer, das müssen die Eltern selber machen“, findet Heese. 

Lieber ermutigen

Günstig sei es, Kinder nach dem Vorbild des Heiligen zu positivem Tun zu ermutigen, statt ihnen Schwächen vorzuhalten. Auf keinen Fall solle der Nikolaus Angst erzeugen, macht Julian Heese klar. Sich bei einem Besuch hinzusetzen, um nicht übermächtig zu erscheinen, und Kinder den Stab halten zu lassen, sind Tipps dazu. Ganz anders geht es bei einem Nikolausbesuch im Altenheim zu. Möglichkeiten zu einem erfolgreichen Auftritt bei Senioren werden ebenso eingeübt wie für den Besuch in der Kita. Hier zeigte Richard Letow großes Interesse, denn er ist seit fünf Jahren Erzieher in einer Kindertagesstäte in Neu-Ulm. 

Ein komplett anderes Klientel hat Julius Past aus Regensburg bei seinen Auftritten als Nikolaus. Er will in dieser Woche mit seinem neu erworbenen Wissen in Rom glänzen. Der Regensburger spielt bei den Priestern im Ausland den Heiligen und besucht in der italienischen Hauptstadt auch weltliche Angestellte mit ihren Familien. Für seine Besuche macht er sich im Vorfeld viel Mühe und packt seine Botschaften sogar in Reimform. Das Zertifikatsseminar sei für ihn wie eine neue TÜV-Plakette für den Nikolausschlitten. „Rede ich als Nikolaus in der Ich- oder in der Er-Form?“ Auch bei sehr erfahrenen Nikoläusen kommen Fragen wie diese auf. Etwa bei Walter Sirch vom Trachtenverein Marktoberdorf. Seit rund zwei Jahrzehnten ist er mit Mitra und Stab unterwegs. „Aber wie man das Zingulum, also den Schnürgürtel, richtig bindet, hab ich heute gelernt“, freut er sich. Diakon Andreas Martin, Leiter der diözesanen Pilgerstelle, sieht die Schulung als Auftrag der Kirche. „Wir legen Wert darauf, dass der Nikolausbesuch aus einem christlichen Grundverständnis heraus erfolgt und nicht als Partygag empfunden wird“, betont er. Heike John