Viele Kaufbeurer im Petersdom dabei

Die Heiligsprechung Crescentias jährt sich zum 20. Mal

KAUFBEUREN – Crescentia bewegt und tröstet, heute wie zu ihren Lebzeiten im 18. Jahrhundert. Egal ob fromm und gläubig oder auf der Suche und ohne Konfession, jeden Tag kommen Menschen in die Kirche des Crescentiaklosters, um am Schrein der Heiligen innezuhalten und ihr Sorgen anzuvertrauen. Dass Crescentia so nahbar und aus ihrer tiefen Gottesliebe heraus für alle Menschen da war, macht ihre Faszination aus. Am 25. November jährt sich ihre Heiligsprechung zum 20. Mal. Viele Kaufbeurer machten sich damals auf den Weg nach Rom. Wir haben einige nach ihren Erinnerungen gefragt. 

Berührend, aber nicht ohne Strapazen sei die besondere Rom-Reise gewesen, erzählt Schwester Franziska Stahl vom Crescentiakloster. Bei der Ankunft auf dem Petersplatz waren so kurz nach den Terroranschlägen vom 11. September die Sicherheitsvorkehrungen extrem hoch. „Wir mussten lange anstehen, bis wir in den Petersdom durften“, erinnert sich die Franziskanerin. Bei mancher der 30 Ordensfrauen aus Kaufbeuren war die Enttäuschung erst einmal groß: „Es hatte im Vorfeld ein Missgeschick bei der Reservierung gegeben. Deshalb konnten nicht alle in den Petersdom oder hatten teils keinen Sitzplatz.“

Andererseits strömte eine Flut an positiven Eindrücken auf die Kaufbeurer Ordensfrauen ein: „Draußen an der Fassade hingen große Bilder von Crescentia und den drei anderen Personen, die heiliggesprochen werden sollten. Das war wunderschön“, sagt Schwester Franziska. In Erinnerung geblieben ist ihr auch, wie begeistert die vielen Gläubigen aus nah und fern „ihren“ Heiligen zujubelten, als die Bilder am Petersdom entrollt wurden. „Man hatte das Gefühl: Die Kirche lebt!“

„Sancta Crescentia!“

Ihre Mitschwester Ursula Maria, die aus der Diözese Fulda stammt, war damals noch gar nicht ins Cres­centiakloster eingetreten, aber seit Jahren von Crescentia und dem Kaufbeurer Kloster fasziniert. Sie hatte einen Platz hinter dem Hochaltar ergattert. Und gerade weil sie von dort nichts sehen, sondern die Zeremonie nur akustisch verfolgen konnte, sei es so ergreifend gewesen, die schon sehr gebrochene Stimme von Papst Johannes Paul II. zu hören: „Plötzlich schallte das Wort ‚Mobbing‘ durch den Petersdom!“, erzählt Schwester Ursula Maria. Ein Wort habe genügt, um greifbar zu machen, was Crescentia durchlitt, als sie 1703 ins Kloster aufgenommen wurde. Von der Oberin als Novizin ohne Mitgift nicht willkommen, erlebte sie Demütigungen. 

Als das Wort langsam verhallte, war erneut die Stimme des Heiligen Vaters zu hören: „,Sancta Crescentia!‘ Der ganze Petersdom bebte und die Trachtler fingen an zu jubeln!“, erinnert sich die 63-Jährige. Schon vorher waren ihr die Trachtengruppen aus dem Allgäu mit ihren wehenden bunten Fahnen in der Menschenmenge aufgefallen. Allein aus der Diö­zese Augsburg hatten sich tausende Gläubige in Rom eingefunden, darunter die Weihbischöfe Josef Grünwald und Anton Losinger. Auch der heutige Augsburger Bischof Bertram Meier, der mit Crescentia sehr verbunden ist und auf dessen Mitra sie neben Ulrich, Afra und Simpert dargestellt ist, war bei der Heiligsprechung dabei. Ebenso Domkapitular i. R. Prälat Konrad Hölzl, der am 10. November verstorben ist. Hölzl war von 1981 bis 1995 Stadtpfarrer in Kaufbeuren sowie Dekan. Er hatte sich intensiv und unermüdlich für die Heiligsprechung eingesetzt. 

Aus Crescentias Heimatort hatte sich, begleitet vom damaligen Augsburger Bischof Viktor Josef, ein Sonderzug mit vielen Gläubigen der Pfarrei St. Martin auf den Weg gemacht. „Bischof Viktor Josef Dammertz sprach später vom größten Ereignis seiner Bischofszeit“, sagt Karl Pörnbacher, der Vizepostulator der Heiligsprechung. Auch für Kaufbeurens früheren Stadtpfarrer (ab 1995) Adolf Nießner, der heute im Ruhestand in Straubing lebt, ist die Heiligsprechung unvergesslich: „Ich würde nichts höherstellen, weil es so schön war und wir so dankbar und glücklich waren“, sagt er. 

Zum ersten und einzigen Mal habe er erleben dürfen, wie eine Frau aus seiner Pfarrei heilig gesprochen wurde. Allein schon die Proben am Tag zuvor mit den vier Ministranten aus Kaufbeuren, die beim Festgottesdienst zur Heiligsprechung ministrieren durften, seien ein Erlebnis gewesen. Beim Gottesdienst im Petersdom durfte der Kaufbeurer Stadpfarrer schließlich mit den vielen Bischöfen am päpstlichen Altar stehen. „Als wir mit dem Heiligen Vater in die Peterskirche einzogen, war das für mich einfach atemberaubend!“, erinnert sich Nießner. 

Nach vorn zum Papst

Ebenfalls mit in der Pilgerschar: die Stadtspitze mit dem damaligen Oberbürgermeister Andreas Knie sowie 250 Lehrer, Schüler und Eltern der Marien-Realschule mit ihrem heute pensionierten Direktor Rudolf Wisbauer. „Es war einzigartig, bei der Heiligsprechung dabei zu sein, gerade für die Mädchen, weil unsere Schule so eng mit dem Kloster verbunden ist“, erzählt Wisbauer. Ihn berührte während des Festgottesdiensts besonders der Moment der Gabenbereitung: Mit Schwester Hildebranda, Schwester Ignatia, Schwester Franziska, Schwester Martha und Schwester Christine vom Kaufbeurer Kloster, die eine Knochenreliquie von Cres­centia und eine Kerze zum Altar brachten, durfte eine seiner Schülerinnen nach vorn gehen.  

Aufregend war auch die Papstaudienz für die Heiligsprechungsgruppen am nächsten Tag, erzählt Wisbauer: „Als der Heilige Vater unsere Schülerinnen erwähnte, skandierten sie begeistert: ‚Johannes Paul II., wir steh’n auf Deiner Seite!‘“. Obwohl der Heilige Vater schon sichtbar geschwächt war, habe er die Mädchen sehr wohl gehört und mit einem Schmunzeln geantwortet: „Auf welcher Seite?“.

Die Eindrücke aus Rom wirkten bei den Schülerinnen der Marien-Realschule noch lange nach, sagt Wisbauer. So führten die Mädchen etwa zum zehnten Jubiläum im Jahr 2011 ein großes Crescentia-Musical auf und knüpften damit an ein erstes Musical zu Ehren Crescentias an, das die Schule im Jahr 2000 zum 100. Jubiläum der Seligsprechung auf die Beine gestellt hatte. 

Viele segensreiche Impulse seien von der Heiligsprechung für das Glaubensleben in Kaufbeuren ausgegangen, sagt auch Pfarrer i. R. Nießner. So habe die ganze Stadt ihre Heilige im Juni 2002 mit einem Glaubensfest hochleben lassen. In einer feierlichen Prozession wurde der Schrein Crescentias von einer Pfarrei zur nächsten getragen, um die Heilige dort jeweils einen Tag mit besonderen Feierlichkeiten zu ehren. Auch der samstägliche Wallfahrergottesdienst in St. Martin und vor allem die jährliche Feier des Gedenktags (in coronafreien Zeiten mit Lichterprozession zum Kloster) entstanden nach der Heiligsprechung. 

„Große Gnade“

Für Schwester Ursula Maria war der 25. November 2001 zudem auch ganz persönlich sehr bedeutungsvoll: „Damals sagte ich: Jetzt komm’ ich ins Kloster! Jetzt weiß ich es ganz tief!“, erzählt sie. Drei Jahre sollten noch vergehen, 2004 war es soweit: Schwester Ursula Maria, die damals noch Ulla hieß, wurde ins Crescentiakloster aufgenommen. „Ich war die Erste, die nach der Heiligsprechung eingetreten ist. Das ist für mich eine ganz große Gnade“, betont sie. 

Die Begeisterung für Crescentia, die so tief auf Gott ausgerichtet war und sich dabei aller Menschen annahm, begleitet Schwester Ursula Maria bis heute: „Sie war so modern, so lebensfroh und nie abgehoben, sondern geerdet und hatte gleichzeitig das Herz im Himmel“, sagt die Schwester, die im Kloster das Briefapos­tolat betreut. Wo Cres­centia einst tausende Schrei­ben von Ratsuchenden beantwortete, erreichen heute oft viele E-Mails mit Gebetsanliegen die Ordensfrauen. Um die Fürsprache der Heiligen bitten nicht nur viele Menschen aus dem Allgäu, sondern auch Gläubige bis aus Indonesien oder von den Philippinen.

Susanne Loreck