Ausstellung in Leipheim iüber Heimatvertriebene

Man sah sie recht finster an

LEIPHEIM – „Bei den Schwaben angekommen sah man uns recht finster an, wollt uns niemand eine Wohnung geben und da ging der Krach gleich an.“ So beschreibt Helene Hirschbrich, die aus dem Sudetenland vertrieben wurde, in einem Gedicht die Situation der Flüchtlinge nach dem Zweiten Weltkrieg. Diesen widmet sich die aktuelle Sonderausstellung „Heimat? Neubeginn in Leipheim nach 1945“ im Leipheimer Heimat- und Bauernkriegsmuseum Blaue Ente. 

Die dort angestellten Historikerinnen Nicole Schneider und Susanne Anwander sehen in der damaligen Situation eine Parallele zur heutigen Flüchtlingsproblematik. So fragten sie in Leipheim Familien von Heimatvertriebenen nach Leihgaben. Und sie holten Exponate aus dem Archiv und einem Lager für Displaced Persons (DPs) – ein Sammelbegriff der damaligen Militärregierung für Holocaust-Überlebende sowie Befreite aus Kriegsgefangenschaft, Zwangsarbeit und Konzentrationslagern. Ein solches Lager bestand in Leipheim von 1945 bis 1951.

Ein Leiterwagen, Koffer und Rucksäcke machen symbolisch deutlich, wie sorgfältig die Flüchtlinge bei der Zusammenstellung des Gepäcks planen mussten. Denn pro Person waren nur 50 Kilo erlaubt. Wie aus der Ausstellung hervorgeht, waren darunter bei den meisten religiöse Gegenstände wie Kruzifixe, Madonnenfiguren und Gebetbücher. 

In Deutschland angekommen, mussten sich die Vertriebenen in einem DP-Lager wie in Leipheim anmelden, um eine Wohnung zugewiesen zu bekommen. Aus diesem Camp sind Büromöbel und eine Schreibmaschine ausgestellt. Die Ausstellung macht das Nebeneinander von Elend und Hoffnung in der Zeit der Militärregierung sichtbar. Lebensmittelmarken erinnern an die Rationierung der Nahrung, zahlreiche Babyfotos an die im Leipheimer Lager geborenen Kinder.

Neuanfang

Ein Teil der Ausstellung zeigt, wie die Flüchtlinge in Leipheim wieder Arbeit fanden. Der Sudetendeutsche Johann Lindner aus Hengsterben (bei Karlsbad) baute seine Handschuhmacherfabrik in der neuen Heimat wieder auf. Viele seiner Arbeiter waren mit ihm ins Schwabenland gekommen. Das Zubehör für dieses Handwerk fand seinen Platz in der Ausstellung. 

1947 kam der Sudetendeutsche Rudolf Wanzl nach Leipheim. Er gründete eine Werkstätte für Waagenbau, die zu einer weltweit aktiven Metallwarenfabrik expandierte. Der aus der Slowakei vertriebene Walter Greb wurde in Leipheim zum Betreiber des Gasthauses zur Post. Zuvor hatte er jede Arbeit angenommen, um seine Familie durchzubringen. Ein Teil der Ausstellung widmet sich der Verarbeitung des Schicksals der Flüchtlinge in Musik, Literatur und Film. Die eingangs erwähnte Helene Hirschbrich wünschte den tschechischen Ministerpräsidenten Benesch, der für die Vertreibung verantwortlich war, zum Teufel und hoffte auf eine baldige Rückkehr in die alte Heimat. Diese Hoffnung erfüllte sich jedoch nicht. 

Der Gedichte- und Liederschreiber Josef Martin erzählt von der Integration der Sudetendeutschen in die Bundesrepublik Deutschland,und wie auch sie vom Wirtschaftswunder profitierten: „und haben auch viele durch das Wunder im Westen, ihre alte Heimat und alles vergessen, sie sollen sich erinnern, sie müssen noch wissen, was sie erlebt und wie man sie hat aus der Heimat geschmissen“. 

1949 drehte ein australisches Filmteam einen Spielfilm im DP-Lager Leipheim. Die australische Regierung wollte damit deutlich machen, dass die Hürden für eine Auswanderung nach Australien nach wie vor groß waren. In die fiktionale Handlung des Films wurden auch dokumentarische Szenen über das Lagerleben montiert. Ein Beispiel dafür ist das Interview mit Harold Grant, der für die Einreiseanträge nach Australien zuständig war.

Schwer beeinträchtigt

Das größte Ausstellungsstück macht deutlich, dass der Krieg für die Geflohenen nicht nur psychische Beeinträchtigungen mit sich brachte. Dem Soldaten Karl Hofmann mussten nach dem Russland-Einsatz beide Beine amputiert werden. Seitdem trug er Prothesen. Er bekam einen der ersten Selbstfahrer-Rollstühle. Trotz schlichter brauner Lederpolsterung erinnert er ein bisschen an ein modernes Handbike, also ein Spezialfahrzeug für Rollstuhl-Radrennen.

Martin Gah 

Info: 

Die Sonderschau ist bis 24. Februar immer sonntags von 14 bis 17 Uhr geöffnet sowie nach Vereinbarung (Telefon 0 82 21/7 07 21).

16.01.2019 - Bistum Augsburg , Flüchtlinge