Bistum hält sich streng an Corona-Regeln

„Akt der Nächstenliebe“

Die Welt hält den Atem an, der Ausbruch des Corona-Virus versetzt sie in Angst und Schrecken. Rund um den Erdball wird das öffentliche Leben heruntergefahren. Massiv betroffen von der Pandemie ist auch die Kirche. Zum Alltag in Zeiten der Corona-Seuche und möglichen Folgen nehmen der ernannte Bischof des Bistums Augsburg, Prälat Bertram Meier, und sein ständiger Stellvertreter als Diözesanadministrator, Domkapitular Harald Heinrich, exklusiv Stellung. 

Herr Diözesanadministrator, Sie sollten eigentlich am 21. März geweiht werden. Wie geht es nun weiter? Wie viel Rechtskraft haben Ihre Entscheidungen und wann dürfen die Leute endlich Herr Bischof zu Ihnen sagen?

Bischof Bertram: Wir sollten die Lage nicht dramatisieren. Obwohl mir als ernannter Bischof noch die Weihe fehlt, ist das Bistum nicht führungslos. Als Diözesanadministrator bin ich zwar gehalten, keine einschneidenden Veränderungen vorzunehmen. Diese Regelung ist so zu verstehen, dass der Diözesanadministrator dem neuen Bischof keine Vorgaben machen soll, die der schlucken muss. Da ich selbst als ernannter Bischof sozusagen mein eigener Nachfolger bin, stellt sich dieses Problem nicht. Da ist Kontinuität garantiert. Bei der Anrede können wir es mit der Vatikanischen Version halten: Von dort werde ich mit „Exzellenz“ und „Hochwürdigster Herr Bischof“ angeschrieben, deshalb dürfen Sie auch schon vor der Weihe „Herr Bischof“ zu  mir sagen.

Wie, Herr Domkapitular Heinrich, wird derzeit im Ordinariat gearbeitet? Geht alles den gewohnten Gang oder lässt die Pandemie das nicht zu?

Domkapitular Heinrich: Vermutlich geht nirgendwo alles seinen gewohnten Gang. Dafür ist die Herausforderung, die uns diese Pandemie stellt, viel zu groß und vor allem auch einmalig, das heißt es gibt keine Blaupause dafür! Im Generalvikariat waren wir in den letzten Tagen bemüht, die Vorgaben der staatlichen Behörden im Bistum umzusetzen. Gerade was die Feier der Liturgie angeht ist das mit sehr schwerwiegenden Einschränkungen verbunden, die uns alle wehtun, aber unvermeidlich sind. Grundsätzlich sehe ich derzeit zwei Schwerpunkte für uns: den Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und den Erhalt der Funktionsfähigkeit der Verwaltung in den zentralen Bereichen. So haben wir sehr zeitig jeden Publikumsverkehr eingestellt und haben Dank der enormen Leistung unserer diözesanen IT-Abteilung eine ganze Reihe von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr schnell die technische Möglichkeit eröffnen können, von zu Hause aus zu arbeiten. Wir werden jetzt darangehen müssen, was zum Teil schon geschehen ist, eine Art von Schichtbetrieb in den verschiedenen Abteilungen einzuführen, um auch bei einer noch stärkeren Ausbreitung des Virus die Funktionsfähigkeit des Bischöflichen Ordinariates aufrecht zu erhalten. Aber insgesamt wird der Betrieb sicher in den nächsten Tagen heruntergefahren.

Wie steht es um die Spendung der Sakramente? Besteht theoretisch die Möglichkeit zur Beichte? Wie ist die Lage in den Bereichen Ehe, Taufe und Firmung?

Domkapitular Heinrich: Es gibt eine klare Anweisung, auf den Beichtstuhl zu verzichten. Bei Beichtgesprächen muss auf den Abstand von zwei Metern geachtet werden, und dass der Raum entsprechend groß ist. Ich sehe momentan keinen Grund, diese Möglichkeit nicht anzubieten, wenngleich inzwischen vom Heiligen Stuhl die Möglichkeit zur Generalabsolution gegeben worden ist.  Bei den anderen drei Sakramenten, also Taufe, Firmung und Trauung, bleibt derzeit nur die Anweisung: Verschieben! Die Spendung dieser Sakramente ist derzeit, außer in Todesgefahr, sehr schwierig durchzuführen und deshalb nicht sinnvoll.

Gerade jetzt wird das Sakrament der Krankensalbung große Priorität bekommen. Wie läuft das in der Praxis, wenn jemand infiziert ist, unter Umständen isoliert im Krankenhaus liegt und nach einem Priester verlangt?

Domkapitular Heinrich: Die Zuwendung zu den Kranken und Sterbenden ist für uns als Kirche gerade in dieser Situation von großer Bedeutung und unverzichtbar. Ich danke allen unseren Seelsorgerinnen und Seelsorgern, besonders in den Krankenhäusern, die hier einen sehr wichtigen Dienst verantwortlich ausüben. In diesem geschilderten Fall wird hoffentlich bei genauer Einhaltung der Anweisungen des medizinischen Personals die Spendung dieses Sakramentes möglich sein.

Wer achtet darauf, dass die Vorschriften zum Schutz vor der Pandemie eingehalten werden?

Domkapitular Heinrich: Zunächst ist ja zu sagen, dass wir hier nicht unsere eigenen, sozusagen „speziellen“ Vorschriften machen. Sondern wir setzen die gesetzlichen Regelungen und Anweisungen der Behörden, zum Beispiel bei Beerdigungen, um. Ich bin zuversichtlich, dass die Pfarrer und die verantwortlichen Seelsorger sich hier ihrer Verantwortung sehr bewusst sind und deshalb die diözesanen Anweisungen gewissenhaft befolgen. Das Besondere an der Situation ist ja auch, dass die Vorgaben in den letzten Tagen immer wieder auch aktualisiert werden mussten, um der veränderten Situation gerecht zu werden. Da sind wir wohl auch noch nicht an ein Ende gekommen. Es gilt der Grundsatz, dass die Einhaltung dieser Vorschriften schlicht ein Akt der Nächstenliebe ist!

In zwei Wochen ist Ostern. Wie begehen Sie, Herr Bischof, die Heilige Woche und wie wünschen Sie sich das von den Gläubigen? Gibt es für diese Handreichungen für daheim?

Bischof Bertram: Zunächst einmal wird es ein stilles Osterfest. Ostern erstreckt sich ja auf drei Tage, das sogenannte Österliche Triduum: Gründonnerstag, Karfreitag, Ostersonntag. Dazwischen liegt der stille Karsamstag. Ich meine, wir haben jetzt in dieser Krise die Chance, die ganze Dramaturgie des Ostergeheimnisses auf den Punkt zu bringen: Es geht um Leben und Tod. Ich selbst werde in der Bischöflichen Hauskapelle die Liturgie in sehr reduzierter Weise feiern. Die Gottesdienstkongregation in Rom hat ein eigenes Dekret erlassen, das zur Feier „auf Sparflamme“ ermutigt. 

Die Priester sollten „privat“ die Liturgie feiern, was aber nicht heißt, dass die Gottesdienste nur privaten Charakter hätten. Immer ist die ganze Kirche im Geist mit dabei, besonders die Gemeinden, die den jeweiligen Seelsorgern anvertraut sind. Für Hausgottesdienste und Andachten wird es Vorlagen geben. Ich bin den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dankbar, die keine Stunden zählen und in diesen Wochen emsig beim Vorbereiten sind. 

Das Dekret, übrigens von Kardinal Robert Sarah unterzeichnet, lässt den Bistümern offen, wie sie es mit der Chrisammesse halten, in der ja der Bischof die heiligen Öle weiht. Sie kann auch auf einen späteren Zeitpunkt verlegt werden. Da diese Messe möglichst viele Priester mit dem Bischof in Anwesenheit der Dia­kone konzelebrieren und dabei ihr Weiheversprechen erneuern sollen, werden wir diese Eucharistie auf die Zeit nach meiner Bischofsweihe verschieben.

In ihrem Wort der Ermutigung an die Gläubigen haben Sie die Verbundenheit mit den italienischen Gläubigen bekundet. Wie lauten Ihre Informationen und Nachrichten aus dem italienischen Katas­trophengebiet?

Bischof Bertram: Es sieht in Italien sehr düster aus. Allein am 21. März waren 793 Tote zu beklagen. Insgesamt gab es bis zum vergangenen Sonntag schon über 5500 Menschen, die der Corona-Pandemie zum Opfer fielen. Meinen Informationen zufolge sind in Italien bereits mindestens 30 Priester verstorben. Deren Alter liegt zwischen 56 und 104 Jahren. Das heißt: Nicht nur betagte Seelsorger sind Corona-Opfer. Auch junge kann es treffen. Trotzdem staune ich, wie die Italiener das Herz nicht sinken lassen, sondern dem Leben trauen. „Alles wird gut“, sagen viele und helfen einander, indem sie sich beistehen. Ich kenne das aus meinen römischen Jahren: Italiener liegen sich schnell in den Armen, auch der Friedensgruß wird ausgiebig zelebriert. Darauf müssen sie jetzt verzichten. Aber sie zeigen auf andere Weise, dass sie sich nahe sind. Diese Fantasie wünsche ich mir auch in Deutschland. Da ist noch viel Luft nach oben – auch bei uns Kirchenleuten.

Rechnen Sie, Herr Bischof, damit, dass die Corona-Krise die Menschen aufgeschlossener für religiöse Fragestellungen macht?

Bischof Bertram: Ich hoffe es. Aber es gibt auch Anzeichen, die nicht darauf hindeuten, etwa die Corona-Partys, oder dass alte Leute von jungen verächtlich angeschaut oder gar angespuckt werden. Das ist für mich ein Armutszeugnis. Ich wünsche mir: Diese Krise – mit möglichst wenigen Toten – möge dazu beitragen, dass viele Menschen in sich gehen und versuchen, in die Tiefe ihrer Existenz zu steigen mit der Aufforderung: Werde wesentlich! 

Das betrifft nicht nur einzelne, das geht auch uns als Kirche an. Ich prophezeie: In der Corona-Krise liegt für die Kirche Veränderungspotential. Was ist ihr zentrales Anliegen, was treibt sie an? Auch der Syno­dale Weg könnte dadurch vielleicht mehr geistlichen Tiefgang gewinnen und eine etwas andere Richtung nehmen. Vor allem eine Frage beschäftigt mich, nachdem ich durch die Absage vieler Sitzungen und Termine neue Zeiträume geschenkt bekommen habe: Was bedeutet das für unsere vielen Gremien? Welche Plattformen brauchen wir wirklich, welche führen tatsächlich weiter? Wo kommt Jesus vor? 

Interview: bc, jm, la

25.03.2020 - Bistum Augsburg , Seelsorge