Abschied und Aufbruch

Bischof Konrad wünscht Diözese Augsburg Einmütigkeit und Beharrlichkeit

AUGSBURG – Im Interview unserer Zeitung blickt ein gut gelaunter Konrad Zdarsa auf seine Zeit in Augsburg zurück und erzählt, was er für die Zukunft plant. Im Anschluss an den Abschiedsgottesdienst am Sonntag, 7. Juli,  um 15 Uhr im Dom können die Diözesanen ihrem Bischof Lebewohl sagen.

Herr Bischof, in Ihrem Leben haben Sie schon öfter Abschied nehmen müssen – als Bischof, aber auch früher, wenn Sie zum Beispiel die Pfarrstelle wechselten. Sind Sie im Abschiednehmen geübt?

Den möchte ich sehen, der darin geübt ist! Aber das Abschiednehmen verbindet sich durchaus mit einer Einstellung, die ich immer vertreten habe, auch wenn sie nicht gerade dem heiteren Bereich zuzuordnen ist. Bei der ersten Ulrichswoche, die ich im Bistum Augsburg miterlebt habe, gab es neben der Hauptüberschrift noch ein zweites Motto: „Bleiben heißt weitergehen.“ Ich halte das für eine ganz wesentliche menschliche Kategorie, dass wir immer den Mut haben, Abschied zu nehmen, weiterzugehen und aufzubrechen. Sie kennen ja vielleicht das schöne Gedicht von Hermann Hesse mit dem Titel „Stufen“: Es wurde mir einst zum Abschied in der Props­teigemeinde Chemnitz geschenkt. Von einer Dekorateurin schön gestaltet, hängt es draußen im Gang. Darin heißt es:

Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe / Bereit zum Abschied sein und Neubeginne, Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern / In andre, neue Bindungen zu geben. Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, / Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.

Der Beginn Ihres Wirkens in der Diözese fiel in eine sehr schwierige Zeit: Sie wurden ausdrücklich gebeten, die Aufgabe zu übernehmen. Wie war die Umstellung von Görlitz nach Augsburg?

Ob man da von einer Umstellung reden kann? Es war vielmehr etwas ganz Anderes, ein völlig neues Aufgabengebiet: In Görlitz habe ich zuletzt noch eines der drei Dekanate visitiert. Das Gebiet kannte ich durch die ständige Fahrt von Görlitz nach Cottbus, die beiden Zentren, schon bald sehr gut. Das hat natürlich in Augsburg eine Weile gebraucht. Und darin liegt vielleicht ein ganz wesentlicher Unterschied: Augsburg musste ich mir erst einmal auch rein territorial erschließen. Ich habe dabei schon ganz am Anfang festgestellt, wie schön die Landschaft ist, von Lindau bis ins Ries! Es würde sehr lange dauern, alle landschaftlichen Schönheiten aufzuzählen. Insofern bedauere ich es etwas, dass ich das alles nicht schon vorher kannte. Dann wäre es womöglich noch etwas leichter geworden, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. 

Sie haben der Diözese mit der Raumplanung 2025 eine zukunftsfähige Struktur gegeben. Sie besuchten eine große Zahl an Pfarreien und Pfarreiengemeinschaften. Durch die Pastoralvisitationen hat die Bistumsleitung genauen Einblick in die Verhältnisse vor Ort bekommen. Wie beurteilen Sie die Situation?

Diese Frage hängt wieder eng zusammen mit den Augsburger Besonderheiten: Es handelt sich um ein sehr großes Territorium und eine auch in menschlicher Hinsicht sehr vielfältige Landschaft. Ich muss hinzufügen, dass es der Freundlichkeit meiner engsten Mitarbeiter zu verdanken ist, dass ich nur drei Dekanate zu visitieren hatte – aber es waren gleichwohl insgesamt 43 Visitationen. 

Ein Gesamturteil zu fällen, ist schwierig. Es gibt Pfarreiengemeinschaften, die beim Zusammenwachsen zu einer größeren Einheit auf einem sehr guten Weg sind. Manche tun sich schwerer. Das liegt manchmal auch an einzelnen Personen, an Prägungen durch eine lange Zeit hindurch.

Insgesamt wächst aber unter den Pfarreiengemeinschaften das Bewusstsein füreinander. Das wurde auch bei manchen gemeinsamen Veranstaltungen oder spätestens beim Abschlussgottesdienst immer wieder deutlich.

Sie sprachen am Anfang von der Zahl 2025 im Zusammenhang mit der Raumplanung. Die Zeit geht weiter! Der Rahmen, den Sie genannt haben, ist schon bald da. Das Zusammenwachsen zu einer tieferen und größeren Einheit bleibt eine ständige Aufgabe.  

Mit dem Institut für Neuevangelisierung waren Sie bundesweit Vorreiter. Sehr wichtig war Ihnen auch die Liturgie und die würdige Mitfeier des Sonntags. Nicht zuletzt förderten Sie mit Nachdruck die sozialen Belange. Was erscheint Ihnen für die Zukunft besonders drängend?

Ich möchte mit Papst emeritus Benedikt beginnen. Der hat gesagt: „Am Umgang mit der Liturgie entscheidet sich das Schicksal der Kirche.“ Das meinte er keineswegs in einer engen Begrenzung, sondern im weiten, tiefsten Sinne des Wortes Liturgie. Am guten Umgang mit der Liturgie, an der Feier des Sonntagsgottesdienstes, an der Eucharistie führt kein Weg vorbei. Das ist die Grundlage für die Einheit unseres Bistums und die Einmütigkeit der Gläubigen. Das ist die Grundlage unseres Glaubens, für die Erneuerung des Glaubens und für unsere Zukunft. 

Damit zusammen hängt aber auch die Forderung: Man kann nicht bloß Liturgie feiern und den Sonntag betonen. Man muss immer wieder auch auf die Menschen blicken, die vielleicht nicht so gut gestellt sind. Immer wieder, das bestätigen auch die Dia­kone in der Diözese, gibt es in den Pfarreiengemeinschaften eine Not, die sich versteckt. Und es gibt eine Not, die nicht immer mit dem Begriff „materielle Not“ festzumachen ist. Es handelt sich auch um eine geistliche Not. Hier liegt für uns ein unermessliches Aufgabengebiet!

Sie erlebten über Jahrzehnte das Christsein in der DDR mit. Welche Anstöße erhielten Sie daraus für Ihre Aufgabe im Westen?

Wie wir die geistige Landschaft seinerzeit erfahren haben, noch vor meiner bischöflichen Verantwortung, die ja erst nach der Wende begann, daraus habe ich bei Begegnungen nie einen Hehl gemacht.  Gleichwohl möchte ich keine ­Pauschalurteile fällen und schon gar nicht mit Begriffen wie Ost/West hantieren. Die Herausforderung, mit dem Gott zu leben, an den man glaubt, ist überall dieselbe – die Zugänge und die Wege sind verschieden. Und darum bin ich trotz mancher Entwicklungen, die man dann auch von den Medien überliefert bekommt, nicht pessimistisch, was die Entwicklung im Osten betrifft.

Ich erinnere mich in letzter Zeit immer wieder gern daran, dass seinerzeit – ich war noch ein Kind und dann im jugendlichen Alter – von Westfalen aus Priester in den Osten gekommen sind. Einer meiner Vorgänger in Chemnitz war ein Westfale. Unser großer Professor für Neues Testament, Heinz Schürmann, kam nicht aus Sachsen, und ich könnte noch einige aufzählen, die bei uns bis zur Pensionierung tätig waren, ganz zu schweigen von den hochverdienten Priestern und Professoren aus dem ehemaligen Erzbistum Breslau, die vor allem in der späteren Diözese Görlitz und in der Priesterausbildung segensreich gewirkt haben. 

Konnten Sie aus Ihren Erfahrungen Schlüsse oder Konsequenzen für Ihr späteres Wirken ziehen?

Versuchen wir nicht, solche Zusammenhänge herzustellen. Man muss sich immer der jeweiligen Situation aufs Neue stellen. Da muss man hinschauen, hinhören, denn die Bedürfnisse sind unterschiedlich. Wenn jemand in einer gut katholischen Gegend sozialisiert wurde, dann wird seine Glaubenserfahrung, sein Glaubensleben ein anderes sein, als wenn jemand in einer Zone gelebt hat, wo er damit nie konfrontiert worden ist.

Auf Dauer wird sich die Situa­tion aber ähnlich stellen auch für die, die im bisherigen volkskirchlichen Milieu aufgewachsen sind. Manchmal habe ich die leise Befürchtung – die sich hoffentlich nicht erfüllt –, dass manches, was da im Osten die Ideologie den Leuten aufzudrücken versuchte, heute auf einem anderen, aber unerbittlichen Wege über unsere Gläubigen kommen könnte. Ich nenne hier Beispiele wie den Konsumismus oder auch die Ganztagsbetreuung von Kindern. Ich habe in Bad Grönenbach zum Beispiel im Kindergarten mit einer Leiterin gesprochen, die sagte: „Es gibt Eltern, die ihr Kind um halb 7 Uhr früh bringen und um die gleiche Zeit abends wieder abholen.“ Zum Glück ist das nicht das Gros. Das ist durchaus mit dem vergleichbar, was wir auf anderer Ebene schon einmal hatten. 

Herr Bischof, wo verbringen Sie Ihren Ruhestand und worauf freuen Sie sich besonders?

Ich werde nach Dresden zurückziehen. Dort habe ich auch eine Wohnung. Ich sehe es als eine neue Aufgabenstellung, einen neuen Abschnitt an. Daraus werden sich die Notwendigkeiten ergeben. Mit dem von Ihnen angesprochenen Freuen ist es eine gemischte Sache. Es war nämlich schon schön, in den Dienst eingespannt zu sein, zu wissen, wo man gebraucht wird, was man zu tun hat. Der Kalender war durchaus voll, aber das hat man ja auch gerne gemacht. Man wusste, dass man hergehört und gebraucht wird. Das ist im Ruhestand keineswegs so. Ich muss mir da erst einmal ein neues Gebiet suchen, wie ich es damals als Generalvikar auch getan habe mit der kleinen, von Dresden 25 Kilometer entfernten Gemeinde. Ich sage mal ganz einfach so: ein Schritt nach dem anderen.

Haben Sie denn an der alten Wirkungsstätte noch ein Netz an Bekannten und Freunden?

Ja, das kann man schon so sagen. Aber es sind auch einige Jahre ins Land gegangen. Die Kinder, die ich getauft habe, sind mittlerweile Erwachsene und haben selber Kinder. Doch es bestehen teilweise noch sehr gute Verbindungen. Das merke ich an der Briefpost und auch an manchen Besuchen, die durch die Jahre hin angehalten haben. 

Was wünschen Sie den Augsburger Diözesanen für die Zukunft?

Das Wichtigste sind Einheit und Einmütigkeit. Ich wünsche sehr, dass wir uns immer wieder einmütig zur gemeinsamen Feier des Gottesdienstes versammeln. Dass wir bemüht und gewillt sind, die Einheit zu wahren und zu verstärken. Es werden auf die Diözese viele Herausforderungen zukommen, wie es ja auch bei anderen Bistümern geschieht: die Demografie, der Priestermangel, die Finanzen.

Hier gilt vielleicht das Gleiche, das ich mir auch selber vornehme: ein Schritt nach dem anderen! Nicht alles auf einmal, auch nicht gleich vor der Fülle der Aufgaben kapitulieren, sondern ans Werk gehen. Wie ich es den Mitbrüdern auch sage: Wesentlich ist, dass in der Pfarreiengemeinschaft Geistliches geschieht.

Auch einer, der als Pfarrer früher bloß 300 Katholiken in einem Dorf hatte, konnte sie nicht alle auf einmal betreuen. Wenn jemand zu ihm kam und sein Herz ausschütten wollte, dann musste er unter Umständen auch zwei bis drei Stunden zuhören und war für andere nicht zu sprechen. Ich liebe das Argument nicht, dass wir „nicht mehr in der Fläche sind“. Die Hauptsache: Der Priester ist da. Und dann sind auch die Gläubigen gefordert, da hinzugehen, um miteinander zu feiern. Da liegen vor den Pfarreiengemeinschaften noch große Aufgaben!

Interview: Gerhard Buck/

Johannes Müller

05.07.2019 - Bischöfe , Bistum Augsburg