Sedisvakanz

Ein Blick in die Kirchengeschichte

AUGSBURG – Nachdem der Papst den Rücktritt von Bischof Konrad Zdarsa wie mit dem Erreichen des 75. Lebensjahres angenommen hat, befindet sich die Diözese Augsburg in der bischofslosen Zeit, der Sedisvakanz. Ein Blick in die Kirchengeschichte zeigt, dass ihre Dauer sehr unterschiedlich sein kann: 

Manchmal hatte Rom Bedenken gegen einen Kandidaten, aber es konnte auch die Regierung sein, die ihre Zustimmung hinauszögerte. In der Regel übten die Bischöfe ihr Amt bis zum Tod aus. Erst das Zweite Vatikanische Konzil (1962 bis 1965) hat bestimmt, dass Bischöfe mit 75 Jahren ihren Amtsverzicht erklären, der nicht in jedem Fall angenommen wird. Bei Kardinälen erfolgt häufig eine Verlängerung bis zum 80. Lebensjahr.

In der Diözese Augsburg gab es im 19. Jahrhundert eine lange Sedisvakanz nach dem Tod des letzten Fürstbischofs von Augsburg, Clemens Wenzeslaus Herzog von Sachsen. Dieser starb 1812 in Markt­oberdorf und wurde dort auch begraben. Sein Herz kam freilich in die Ulrichsbasilika in Augsburg. Seit dem Frieden von Luneville 1801 und der Säkularisation 1803 hatte sich alles geändert. Es entstanden die Königreiche Bayern und Württemberg. Die Diözesangrenzen wurden den Landesgrenzen angepasst. 

Das Bistum Augsburg verlor die Fürstpropstei Ellwangen. Clemens Wenzeslaus war der letzte Fürst­propst. Auch das Tiroler Dekanat Reutte ging verloren. Hinzu kamen 65 Pfarreien des Bistums Konstanz. Als Kapitularvikar wurde Franz Friedrich Freiherr von Sturmfelder vom Augsburger Domkapitel gewählt. Er wurde 1758 in Mann geboren, studierte in Heidelberg und wurde Kanoniker in Ellwangen. 1793 in Augsburg zum Priester geweiht, hatte er bereits 1797 die Stellung eines Domdekans von Augsburg inne. Vor der Säkularisation war er zudem noch Domdekan von Speyer, Stiftsdekan in Ellwangen und Propst von Straubing. König Max I. Joseph ernannte Domdekan Sturmfelder zum Vorsitzenden des Generalvikariates. 

Erst nachdem das Bayerische  Konkordat von 1817 in Kraft getreten war, konnte der Bischofsstuhl von Augsburg wieder besetzt werden. Kapitularvikar Sturmfelder zählte zu den Kandidaten, aber die Wahl fiel schließlich auf den 73-jährigen Augsburger Weihbischof Franz Karl Joseph von Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst, den der König von Württemberg gerne zum ersten Bischof einer angedachten Diözese Ellwangen gemacht hätte.

Ohne römische Zustimmung agierte dieser jahrelang als Generalvikar in Württemberg auch in den Teilen des Königreiches, die zu den Bistümern Konstanz, Speyer, Worms, Augsburg und Würzburg gehörten. Bayerns König Max I. Joseph nominierte ihn als Bischof von Augsburg, aber die römische Bestätigung ließ auf sich warten, und so starb der erwählte Augsburger Bischof, bevor er sein Amt übernehmen konnte am 9. Oktober 1819. Er wurde im Dom bestattet. Kapitularvikar Sturmfelder war erneut gefragt.

Abgelehnte Bewerber

Der König schlug Professor Johann Michel Sailer als Augsburger Bischof vor. Rom verweigerte jedoch die Zustimmung. Daraufhin brachte der König Joseph Maria Johann Nepomuk Freiherr von Fraunberg ins Spiel, den Rom bereits als Bischof für Würzburg abgelehnt hatte. Vor einer nochmaligen Ablehnung warnte der Nuntius. So wurde am 27. Juni 1821 die päpstliche Zustimmung gegeben, und am 11. November 1821 konsekrierte Nuntius Francesco Serra di Cassano den neuen Bischof im Dom von Augsburg. Damit endete auch das Amt des Kapitularvikars Sturmfelder, der sich um die Eingliederung der 65 Pfarreien des Bistums Konstanz in die Augsburger Diözese verdient gemacht hat. Der König ernannte ihn zum Dompropst. Nach langer Krankheit starb er 1828. 

So lange wird Diözesanadministrator Bertram Meier seinen Dienst wohl nicht ausüben müssen, denn länger als ein Jahr muss heutzutage selten eine Diözese auf einen neuen Bischof warten.

Ludwig Gschwind