Nur Weniges erinnert an das Dorf Ramsee am Osthang über dem Ammersee

Vom Waldboden verschluckt

HERRSCHING – „Hat‘s dr Deifi gholt, d‘ Ramseer?“ So genau weiß das keiner. Aber geheuer ist es den Einheimischen am Ostufer des Ammersees nicht, kommt die Rede auf das verschwundene Dorf Ramsee zwischen Andechs und der Erlinger Höhe. 

Als die Autorin vor kurzem ihren Rucksack schnürte, um von Wart­aweil aus durch den verschneiten Tannenwald auf den zugewucherten ehemaligen Dorfplatz von Ramsee zu steigen, rief ihr ein Nachbar hinterher: „Ja, traust du dir des?“ Die abgegangene Ortschaft Ramsee hat wirklich keinen guten Ruf. 

Fest steht, dass  die Gegend schon von Kelten und Römern besiedelt war. 1223 ist Ramsee dann erstmals urkundlich erwähnt, als ein Sifridus de Ramesoue, ein Ministeriale der Grafen von Andechs als Zeuge bei einer Beurkundung genannt wird. Vom Dorf, das sich auf dem grünen Hügel entwickelte, sah man weit über den Ammersee ins Land hinein. 

Nach einer Beschreibung des Kapitels Oberalting zählte Ramsee 1737 sechs Häuser und 42 Seelen. Nach einer Diözesanbeschreibung von 1809 lebten um das Kirchlein Sankt Nikolaus herum nach der Säkularisation auch noch 40 Menschen in sechs Familien. Wohlhabende Höfe gab es, wo man schon im Mittelalter Pflanztöpfe aus Ton mit Engelsköpfchen zierte. 

Noble Herren verkehrten hier im 19. Jahrhundert und nahmen sogar Wohnung. Es wüteten mehrere Feuersbrünste, neue Besitzer kauften sich ein, die auch kein Glück hatten. Im September 1852 brannte das letzte Söldnerhaus in Ramsee ab. Laut Verfügung des Königlichen Forstamts in Weilheim vom 28. August 1860 wurde die Umwandlung der Ortsflur in einen Wald beschlossen. Die restlichen Gebäude wurden abgebrochen, 1864 auch die Nikolauskirche. Glocken, Leuchter und Baumaterialien sind umliegenden Kirchen zugeschlagen worden.

Den Grund für Niedergang des Bauerndorfes vermutet Heimatforscher Gustl Empfenzeder aus Herrsching in seiner 1978 erschienen „Geschichte der Ammersee-Heimat“ in der Verschuldung der Ramseer Bauern wegen des süffigen Andechser Biers. Zuvor schon hatte Pater Emmeram Heindl in seiner Chronik „Das Pfarrdorf Erling“ den Weiler als Opfer „der gewinnsüchtigen Spekulation“ und  des Nützlichkeitsprinzips gesehen.

Weihwasser zum Schutz

Unter der Schwellbach-Brücke gleich bei Ramsee um die Ecke trieb einst der Schäuferlmann sein Unwesen: ein Gespenst, das wegen Spielsucht verurteilt worden war, unter dem Brückerl bei Ramsee zu schaufeln. Vorbei kam nur, wer sich mit Weihwasser besprengt hatte. Nach einem fidelen Abend im klösterlichen Bräustüberl habe sich ein forscher Landwirt ohne sich mit Weihwasser zu besprengen in einer Vollmondnacht auf den Heimweg gemacht. Prompt ist ihm auf der Brücke der Schäuferlmann erschienen, der ihn bis zu seinem Hof mitten in Ramsee jagte und ihm dann die Schaufel über den Kopf zog. „Der Bauer musste sofort ins Bett und war acht Tage später eine Leiche“, schreibt Pater Emmeram Heindl.

Als dann der Verstorbene aus dem Haus getragen wurde, um nach Herrsching überführt zu werden, hätten die Rösser des Leichenwagens ein schreckliches, nicht enden wollendes Gewieher von sich gegeben, über das sich laut Überlieferung „alles gruselte und verwunderte“.

Nachmittagsspaziergang

Der Weg von Wartaweil hinauf nach Ramsee und in der Runde über Erling zurück Richtung Herrsching ist ein erlebnisreicher Nachmittagsspaziergang. Auf der Staatsstraße von Fischen nach Herrsching gibt es bei Wartaweil Parkbuchten. Hier startet der ausgeschilderte Waldweg im ersten Drittel etwas steil und geht dann gemütlich weiter bis zum ehemaligen Dorfplatz von Ramsee mit  einer Erinnerungstafel an einer Steele dort, wo einst die Nikolauskirche stand. Weiter geht’s durch den tiefen Tann bis zur Schwellbachbrücke, der Heimat des Schäuferlmanns. Über die Brücke führt die Dreifaltigkeitsstaße Richtung Erling und Kloster Andechs.

Das Schmankerl, wenn es geschneit hat: Wer einen Schlitten hinaufzieht, der kann fast den ganzen Hang vom ehemaligen Dorfende munter hinunter zur Staatsstraße rodeln. Beate Bentele 

11.02.2021 - Bistum Augsburg , Historisches