Pfarrer Hermann Berger ist Krankenhausseelsorger im Klinikum St. Elisabeth in Straubing

„Das Da-Sein hat eine eigene Qualität“

STRAUBING – Wer ist schon gerne krank? Ein Schnupfen geht zum Glück schnell vorbei. Was aber, wenn man die Diagnose Krebs erhält? Oder vor einer schwierigen Operation steht? Ärzte setzen auf ihre medizinische Heilkunst, Pflegekräfte sorgen für den Kranken. Das Erleben einer Krankheit kann tiefere Fragen aufwerfen, die bisher Vertrautes hinterfragen oder auch in Frage stellen. Dann ist Pfarrer Hermann Berger gefragt. Der 56-Jährige ist Seelsorger im Klinikum St. Elisabeth in Straubing.  

Pfarrer Berger arbeitet dort, wo viele ungern hingehen: im Krankenhaus. 2014 hat er sich bewusst für den Dienst im Straubinger Klinikum entschieden, mit 450 Planbetten das größte katholische Krankenhaus in Niederbayern. Zuvor war er 13 Jahre lang Pfarrer in der Gemeinde Mengkofen, drei Jahre in der Stadt Amberg. „Da war ich nicht nur Seelsorger, sondern auch Verwalter, Bauherr, Lehrer und so weiter“, sagt er. „Im Krankenhaus bin ich nur noch Seelsorger.“ 

Und im Krankenhaus gehen die Uhren anders. „Während Ärzte und das Pflegepersonal vor allem unter Zeitdruck stehen, haben Patienten oft ein ganz anderes Zeitempfinden.“ Für den einen vergeht die Zeit wie im Schneckentempo, für den anderen, der gerade eine schlimme Diagnose erhalten hat, steht die Zeit erst mal still. „Zeit ist sehr kostbar“, sagt Pfarrer Berger, „das wird einem hier schnell bewusst.“ 

Wenn er zu den Patienten geht, bringt er deshalb viel Zeit mit. Er versucht, für die Patienten und ihre Angehörigen einfach da zu sein. „Einfach nur da sein, das ist etwas, was vielen in der heutigen Zeit schwerfällt, in einer Zeit, in der man sich vor allem über das Haben und Machen definiert. Das Da-Sein hat eine ganz eigene Qualität und ist eine Kunst.“ Dabei ist Seelsorge immer ein Angebot, das der Patient annehmen, aber auch ablehnen kann. 

Berger überlässt es den Menschen, über was sie sprechen wollen. Manche wollen sich einfach unterhalten, andere wollen sich die Sorgen von der Seele reden. Da geht es um eine bevorstehende Operation, um eine Therapie, mit der man große Hoffnung verbindet, es geht um Schmerzen und Heilungsprozesse. Aber es geht auch um religiöse Fragen: „Wie bringe ich die Erfahrung von Krankheit und Leid mit dem Glauben an einen gütigen Gott zusammen? Ich will beten, aber ich kann nicht mehr beten. Hat es überhaupt Sinn zu beten?“ 

Immer wieder geht es auch um Verletzungen von kirchlicher Seite. Berger sieht seine Aufgabe darin, an den Sorgen, den Ängsten, aber auch an den Freuden der Patienten Anteil zu nehmen. Er verweist auf das Seelsorgemotto des Apostels Paulus aus dem Römerbrief: „Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden“ (Röm 12,15). So freut sich Berger mit den Patienten über einen guten Heilungsverlauf, über Schmerzlinderung, steht ihnen aber auch in schweren Tagen bei. 

Der Mensch an Grenzen

Berger weiß: Nicht selten wird Krankheit als lange Durststrecke erfahren, die dem Patienten und seinen Angehörigen viel abverlangen kann. Krankheit konfrontiere immer mit Grenzen, bisweilen auch mit der Grenze des Todes. „Die einen haben Angst, die anderen sind wütend und hadern mit ihrem Schicksal. Das ist zutiefst menschlich“, sagt Berger. Auch Jesus sei die Palette menschlicher Gefühle nicht fremd gewesen. „Jesus hatte selbst Angst vor dem Tod, wie sein Ringen im Garten Getsemani zeigt, er hat am Grab von Lazarus bitterlich geweint und hat bei der Tempelreinigung vor Wut getobt.“ 

Der Tod werde von den Patienten ganz unterschiedlich angenommen. Berger ist eine Frau besonders in Erinnerung geblieben, die er längere Zeit begleitet hat. Trotz ihrer schweren Tumorerkrankung sei sie ein sehr lebensbejahender Mensch gewesen. Sie habe ihre Bettnachbarinnen immer aufbauen können, auch als sie selbst schon sehr stark von der Krankheit gezeichnet gewesen sei. „Sie war vielleicht nicht im klassischen Sinne gläubig, aber sie hat sehr viel vom Geist des Evangeliums ausgestrahlt, und damit hat sie mich zutiefst beeindruckt.“ Berger macht eine kleine Pause, denkt nach. „Ich weiß nicht, wie es einmal bei mir sein wird, wenn ich sterbe. Ich bin dankbar für meinen Glauben und hoffe, dass er mich trägt.“ Aber man wisse es nicht. 

Zu seiner Arbeit gehört für den Priester, sofern erwünscht, auch das Gebet mit und für den Patienten. „Beten bedeutet, die eigene Not ein Stück weit loszulassen, indem man sie der Güte Gottes anvertraut“, so der Geistliche. Das gelte auch für das Sakrament der Krankensalbung. Es sei eine vergessene und missverstandene Kraftquelle. Auch die Krankenkommunion werde von vielen Patienten als Stärkung erlebt, ebenso Segensrituale. 

Ob er sich nicht manchmal nach dem Leben in einer Pfarrei zurücksehnt? Immerhin gebe es dort auch Taufen und Hochzeiten, die schönen Seiten des Lebens. „Ich bin mit meiner Tätigkeit zufrieden“, so Pfarrer Berger. Auch wenn er natürlich oft mit Leid und Tod konfrontiert werde. Ein wichtiger Ausgleich ist für ihn das Joggen geworden. „Das habe ich von den Patienten gelernt“, so Berger schmunzelnd. „Bewegung ist etwas sehr Kostbares.“ 

Überhaupt könne man von Kranken viel lernen. Und Humor ist eine wichtige Medizin. „Es tut gut, auch mal zu lachen“, sagt Pfarrer Hermann Berger. Man merkt, er lacht gerne, hat einen feinen Sinn für Humor. So überrascht es auch nicht, als er sagt: „Für meine Arbeit kann ein Fundus an guten Witzen nie schaden. Und kirchliche Witze gehören immer noch mit zu den besten.“ 

Claudia Rothhammer

11.09.2019 - Bistum Regensburg , Seelsorge