Österliches Gesamtkunstwerk

Die Erlöserkapelle in Biburg

BIBURG – Biburg ist eine kleine Ortschaft im Landkreis Kelheim. Am Europäischen Pilgerweg gelegen, ist hier für Pilger, Wanderer und Radfahrer nicht nur die romanische Klosterkirche ein sehenswertes Ziel, sondern auch die im Jahr 2000 feierlich ökumenisch eingeweihte Erlöserkapelle.

Das auf dem Areal eines ehemaligen Feuerwehrhauses zwischen 1997 und 2000 errichtete kleine Gotteshaus ist ein wahrhaft österliches Gesamtkunstwerk aus Architektur, Bildhauerei und Malerei und unterscheidet sich in jeder Hinsicht von allen gleichwertigen Bauwerken. Begeistert schrieb der damalige Kardinal Joseph Ratzinger und heutige Papst em. Benedikt XVI. in einem handschriftlichen Grußwort zur Einweihung unter anderem: „Endlich einmal wieder wirkliche sakrale Kunst im Gegensatz zu so Vielem, das nur den Verfall der Seele im Unglauben sichtbar macht ...“

Künstler setzt ein Zeichen

Die außergewöhnliche Kapelle ist das Werk des 1938 geborenen Künstlers Ludwig Valentin Angerer, der als Vertreter des Phantastischen Realismus gilt und sich unter anderem durch die künstlerische Gestaltung des Films „Die unendliche Geschichte II“ einen Namen gemacht hat. Zum Bau der Kapelle bewog den Künstler nach eigenen Aussagen der Wunsch, dem geistigen kulturellen Verfall eine Idee entgegenzusetzen. So schuf er ein modernes sakrales Kunstwerk, um zu zeigen, dass kirchliche Architektur noch präsent ist und Zeichen setzen kann.

Eine architektonische Besonderheit prägt die Kapelle, eine schräge Röhre ins Licht, die von einem bunten Bleiglasfenster in einer kleinen Kuppel abgeschlossen wird und dem Betrachter eine kosmische spirituelle Erfahrung näherbringen soll: „Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht; über denen, die im Land der Finsternis wohnen, strahlt ein Licht auf“ (Jes 9,1). Vermutlich ist es genau dieses Bibelwort aus dem Buch Jesaja, der einleitende Hinweis auf die Verheißung der Geburt des göttlichen Kindes, dem Ludwig Angerer der Ältere hier Ausdruck verleihen wollte.

Vor dem Hintergund der lichtdurchfluteten Glaskuppel ist in der Röhre eine Kreuzigungsgruppe positioniert, mit einem Christkind zu Füßen und rechts davon die Figur eines Verkünders, der mit der Schrift in der Hand auf den Gekreuzigten deutet. Möglicherweise stellt die Figur den Evangelisten Johannes dar, ist das Buch in seiner Hand ein Verweis auf den Prolog seines Evangeliums, in dem es unter anderem heißt: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit“ (Joh 1,14). Vom Boden aus streben Figuren mit ausgestreckten Armen der Röhre und damit dem Licht entgegen. Die Darstellung verknüpft also Weihnachten mit Karfreitag, vom Kreuz, das sich auswächst zum Baum des Lebens, geht das erlösende göttliche Licht aus, nach dem sich das Volk sehnt.

Starke Kontraste

Viele weitere Details in der Kapelle, wie zum Beispiel eine Schildkröte, die auf ihrem Panzer in Kreuzform die Aufschrift trägt „Sei ohne Angst“, regen zum Nachdenken an. Insgesamt hat der Künstler 27 Figuren in der Erlöserkapelle verbaut. Intensiviert wird der optische Eindruck vor allem durch die starken Kontraste von hellen und dunklen Bereichen sowie von buntem Licht und durchweg farblosen Figuren.

Die Erlöserkapelle kann ganzjährig kosten- und barrierefrei durch ein schmiedeeisernes Gitter besichtigt werden. Für einen Besuch empfiehlt der Künstler einen sonnigen Tag und die Mittagszeit. Zwischen 13 und 14 Uhr scheint die Sonne direkt durch Glaskuppel und Lichtröhre in die Kapelle, die Kontraste kommen dann besonders stark zur Geltung. Für angemeldete Gruppen (Telefon: 0 94 43/71 37) bietet Ludwig Valentin Angerer auch kostenlose Führungen an, Eine Spende für die Erlöserkapelle wird natürlich trotzdem gern gesehen.

Stefan Mohr

11.04.2018 - Bistum Regensburg