Revolution der Liebe

Wort von Bischof Dr. Rudolf Voderholzer zum Osterfest 2018

Die Osterbotschaft hat es schwer, gegen die Meldungen über Terror, Krieg und Flüchtlingsproblematik durchzudringen und sich Gehör zu verschaffen. Der Lärm der Waffen und der erregten Diskussionen über die Konsequenzen drohen die zarten Stimmen der Auferstehungszeugen zu übertönen.
Interessanterweise kennt die christliche Frömmigkeit, die aus den biblischen Berichten und der Betrachtung des Heilswerks Christi schöpft, auch das Thema der „Waffen“, aber in einer paradoxen Verwendung, die so recht die Revolution markiert, die mit Ostern geschehen ist.
Ich meine die seit dem Mittelalter gepflegte, im Barock sehr beliebte und bis auf den heutigen Tag immer neue auch künstlerische Darstellungen findende Verehrung der „arma Christi“, der Waffen Christi.
Dazu gehört beispielsweise die Lanze, mit der nicht er gekämpft oder gar zugestoßen hat, sondern mit der man ihm am Kreuz die Seite geöffnet hat, auf dass Blut und Wasser herausströmten.
Dazu gehören ebenfalls die Säule, an die man ihn gefesselt hat und die Geißeln, mit denen nicht er andere geschlagen, sondern mit denen man ihn schon vor der Kreuzigung fast zu Tode gemartert hat.
Waffen Christi sind auch die Nägel und der Hammer, womit man ihn ans Kreuz genagelt hat, und die Dornenkrone, die man ihm zum Spott auf das Haupt gedrückt hat.
Als Zeichen des Spottes und der Verhöhnung wurden auch der Mantel, das Schilfrohr-Zepter und der Ysopstengel mit dem Essigschwamm, den man dem dürstenden Jesus reichte, zu Waffen Christi. Nicht zuletzt gehören auch das Säckchen mit den 30 Silberlingen, um die ihn ein Jünger verraten und verkauft hat, und der krähende Hahn, der den Petrus an sein gebrochenes Versprechen erinnerte und seiner Schwachheit überführte, zu den Arma Christi.
Das Hauptstück freilich ist das Kreuz selbst, an das der Herr sich schlagen und an dem er sich zu Tode martern ließ. Das Kreuz, der Galgen der Antike, Folterwerkzeug und Hinrichtungsinstrument in einem.
Es gibt in Regensburg ein kleines aber sehr schönes steinernes Relief mit den Arma Christi am Haus Roter Herzfleck 2 in der Nähe des Alten Rathauses, aber auch sonst ist das Motiv in Kirchen oder auch an Feldkreuzen gerade im Bayerischen Wald recht beliebt. Maria Baumann, Leiterin der Diözesanmuseen, schreibt dazu in ihrer Serie „Denkmal!“: „Das Arma Christi-Relief wird bekrönt von der Inschrift: ‚Sit nomen Domini Benedictum‘, übersetzt ‚Der Name des Herrn sei gepriesen‘ (Psalm 113,2). Es ist nicht mehr genau zu klären, wann das Relief an dem Haus angebracht wurde. In jedem Fall aber hat der damalige Besitzer sein Haus damit unter Gottes Obhut gestellt. Die ,Arma Christi‘ wurden im Mittelalter als die Insignien des Königreichs Christi verehrt. Das Christusmonogramm [IHS] wird oft als Haussegen an Fassaden angebracht. So steht das Täfelchen mit seiner Fülle von heiligen Zeichen wie ein Schutzmedaillon über dem Eingang.“
In der Benennung und Verehrung der Leidenswerkzeuge als „Arma Christi“ kommt tatsächlich die ganze Wucht der christlichen Botschaft, insbesondere der Friedensbotschaft von Ostern zum Tragen.
Die Liebe ist die wahrhaft siegreiche Macht der Geschichte. Dieser Sieg ist nicht erkämpft, sondern erlitten.
Gleichwohl bleiben es die „Arma“ Christi, die Waffen Christi. Der Begriff ist in seiner Paradoxalität doch sehr präzise. Denn damit ist festgehalten: Liebe ist nicht die Schwächlichkeit des Nicht-anders-Könnens. Aus freiem Willen hat er sich dem Leiden unterworfen, so beten wir im Hochgebet. Die passio (Erleiden) ist zuhöchst actio, Aktion der Liebe, der erbarmenden Liebe des Vaters zum Sohn und beider zu den Menschen, die nicht anders als durch die Annahme des Kreuzes den Kreislauf von Hass und Vergeltung durchbrechen wollte. Vom Kreuz herab noch entschuldigt er seine Peiniger und lässt den Hass der Welt an sich austoben.
Die österliche Siegesfahne freilich trägt das Zeichen des Kreuzes, das geschlachtete Lamm erlöst die Schafe, und auch der Auferstandene trägt als Identitätsmerkmale die Wundmale an Händen, Füßen und Seite.
Das Kreuz, vom Herrn aus einem Marterwerkzeug zum Zeichen der Liebe, des Erbarmens und des Segens gemacht, wurde gerade auch deshalb zum Inbegriff der abendländischen Kultur.
Die in ihm sich ausdrückende Kultur der Liebe und des Erbarmens müsste eigentlich der Exportschlager Europas sein.
Muss es uns nicht besorgt stimmen, dass Europa derzeit so ziemlich alles exportiert, auch leider echte Waffen? Das hingegen, was zu seinen Fundamenten gehört, das Kreuz, die Ehrfurcht vor dem Heiligen, den christlichen Glauben, eher verschämt verschweigt, wenn nicht gar aggressiv bekämpft?
Im Kreuz ist Hoffnung, im Kreuz ist Leben, errungen durch die Waffen der Liebe. Halleluja!
So wünsche ich allen Leserinnen und Lesern ein frohes und nachdenklich stimmendes Osterfest!

+Rudolf
Bischof von Regensburg