Nach 70 Jahren keine Queen-Rede mehr

König Charles III. hält seine erste Weihnachtsansprache

Es gehört für die Menschen in Großbritannien mit zum Fest wie der Tannenbaum und das üppige Essen am ersten Weihnachtstag: Um 15 Uhr englischer Zeit hält die Königin ihre traditionelle Ansprache. Dieses Jahr ist anders, denn nun ist König Charles III. an der Reihe. Was man erwarten darf, ist mit Sicherheit ein Tribut an seine Mutter und ihren langen Dienst für die Krone.

In der Regel ist die britische Presse über Tage damit beschäftigt, die Weihnachtsrede auf Symbole, Anspielungen oder irgendwelche versteckte Nachrichten zu untersuchen. Ganz genau beobachtet wird auch, welche Bilder der Familie zu sehen sind. Wer ist in, wer ist out? Welche Signale will der König geben, welche Akzente setzen?

Die Idee zu der Weihnachtsansprache geht zurück auf John Reith, den Gründungsdirektor der BBC, die in diesem Jahr ihr 100-jähriges Bestehen feierte. Er sprach 1922 König George V. an, der jedoch die Idee ablehnte, weil er das Radio mit leichter Unterhaltung gleichsetzte und daher nicht als geeignetes Medium betrachtete. Zehn Jahre später zeigte er sich dann offen für eine Weihnachtsansprache, die erstmals 1932 am Ersten Weihnachtstag übertragen wurde. Autor der Ansprache war Rudyard Kipling (1865-1936), dessen bekanntestes Werk das "Dschungelbuch" ist.

Sein Sohn George VI. setzte die Tradition fort. Aus dem Film "The King's Speech" weiß man, dass Weihnachten für den König erst begann, wenn er seine Ansprache gehalten hatte. Weil er stotterte, war die Live-Übertragung im Radio für ihn eine große Herausforderung.

Die Queen hielt in jedem Jahr eine Weihnachtsansprache. Ihre erste im Jahr 1952, in der sie über ihre Krönung im kommenden Jahr berichtete. Sie beendete ihre Rede mit der Bitte: "Betet für mich, damit mir Gott die Weisheit und Kraft geben möge, die feierlichen Versprechungen umzusetzen, die ich machen werde, und dass ich Gott und den Menschen diene an allen Tagen meines Lebens." Es gilt in England als allgemeiner Konsens, dass sie diese Versprechungen gehalten hat.

1957 wurde die Weihnachtsansprache zum ersten Mal im Fernsehen übertragen. Ab 1960 wurde sie einige Tage vorher aufgezeichnet, damit sie rechtzeitig in die verschiedenen Länder des Commonwealth gebracht werden konnte. Damit entspannte sich auch für Elizabeth II. und ihre Familie der Erste Weihnachtstag.

Obwohl Königin Elizabeth II. nie einen Hehl daraus gemacht hatte, dass ihr Glauben ihr Kraft für ihr Leben und ihre Aufgabe als Monarchin gab, begann sie erst mit der Jahrhundertwende, das zum Thema ihrer Weihnachtsansprache zu machen. "Für viele von uns ist unser Glaube von größter Wichtigkeit. Die Lehre Christi und das Wissen um meine persönliche Rechenschaftspflicht vor Gott stellen für mich den Rahmen dar, in dem ich versuche, mein Leben zu führen. Wie so viele von Ihnen habe ich auch großen Trost und Vorbild in Worten Jesu Christi gefunden", sagte sie zu Weihnachten 2000.

Die Weihnachtsansprache war für die Queen keine lästige Pflicht. Im Gegenteil, sie betrachtete sie als Möglichkeit, sich direkt an die Öffentlichkeit zu wenden, auf Anliegen einzugehen, den Menschen zu danken oder sie zu beruhigen, wie in der Zeit der Corona-Pandemie. Das Format gehörte zu den wenigen offiziellen Äußerungen der Queen, die sie persönlich schrieb, ohne Rücksprache mit der Regierung zu halten. Prinz Philip gab, das ist bekannt, allerdings sein Feedback.

Am Ersten Weihnachtstag 2021 hielt sie, wenige Monate vor ihrem 70. Thronjubiläum, ihre letzte Ansprache. Ungewöhnlich offen sprach sie über ihre Trauer nach dem Tod ihres Mannes, Prinz Philip, im April. In diesem Jahr wird sich König Charles der Aufgabe stellen müssen, die richtigen Worte zu finden. Denn das Land befindet sich in einer Wirtschaftskrise, die für eine nicht unbedeutende Zahl an Menschen bedeutet: heat or eat - essen oder heizen.

Christiane Laudage/KNA

22.12.2022 - England , Königshaus , Weihnachten