Vor 450 Jahren:

Bartholomäusnacht: Blutrausch an der Seine

„Da setzte überall in Paris ein Gemetzel ein, dass es bald keine Gasse mehr gab, auch die allerkleinste nicht, wo nicht einer den Tod fand, und das Blut floss über die Straßen, als habe es stark geregnet“, so beschrieb ein Augenzeuge die Ereignisse der „Bartholomäusnacht“. 1572 eskalierte eine Serie politischer Morde zu einem rasenden Pogrom – eine traumatische Zäsur in der Geschichte Frankreichs.

Im von Religionskriegen verwüsteten Frankreich um 1570 hatte sich zwischen den Katholiken und der mittlerweile bedeutenden Minderheit der calvinistischen Hugenotten ein Patt eingestellt. König Karl IX. sowie seine Mutter, die eigentliche Herrscherin Katharina von Medici, lavierten zwischen den Seiten und wollten vor allem Frankreichs Unabhängigkeit gegen die Einfluss­nahme des spanischen Königs Philipp II.

und des Papstes bewahren. 

1570 garantierte die französische Krone im Frieden von Saint-Germain den Hugenotten Amnestie und Gleichberechtigung. Zur Versöhnung sollte auch die spektakuläre überkonfessionelle Heirat zwischen Katharinas Tochter Margarete (Margot) von Valois mit der Symbolfigur der Hugenotten, Heinrich von Navarra (dem späteren König Heinrich IV.), am 18. August 1572 beitragen – trotz scharfer Ablehnung aus Madrid und Rom. In den Niederlanden war der protes­tantische Freiheitskampf gegen Spanien entbrannt. Nun wollte Hugenottenführer Admiral Gaspard de Coligny militärisch an der Seite Wilhelms von Oranien intervenieren. 

Radikale Schritte nach Mordanschlag

Am 22. August erlitt Coligny bei einem Mordanschlag eine Schusswunde. Ein Aufschrei ging durch die Reihen der Protestanten, wodurch wiederum die katholischen Verschwörer zu noch radikaleren Schritten angetrieben wurden: Denn jetzt mussten sie eine protestantische Racheaktion fürchten und wollten präventiv zuschlagen.Wer genau zu den Verschwörern zählte, ist umstritten: Hatten Katharina beziehungsweise der 22-jährige Karl IX. höchstpersönlich den Tötungsbefehl gegeben? 

Henri de Lorraine, Herzog von Guise und fanatischer Hugenottenfeind, mobilisierte unter dem Schlachtruf „Der König will es“ die Schweizergarde im ­Dienste des Königs sowie die Leib­wache des Bruders des Königs: Sie sollten die anlässlich der Hochzeit noch immer in Paris weilenden adeligen Häupter der Protestanten aufspüren und töten. Die Stadttore wurden geschlossen, Coligny in seinem Haus ermordet. Heinrich von Navarra rettete nur der erzwungene Übertritt zum Katholizismus vor dem Galgen, er wurde bis 1574 im Louvre interniert. 

Der Mob tötete 

Von der adeligen Mordlust angesteckt tötete der Mob alle Protestanten, die er greifen konnte, und verschonte auch katholische Glaubensgenossen nicht. Die Gewalt­exzesse, durch die in Paris rund 3000 Menschen umkamen, griffen auf die Provinz über: Weitere 15 000 Hugenotten starben.

Wie tief die Feindbilder saßen, lassen makaber wirkende Freudenbekundungen aus Spanien und Rom erahnen. Papst Gregor XIII. bestellte beim Maler Giorgio Vasari drei Fresken über die Pariser Ereignisse für die Sala Regia des Apostolischen Palasts. In Frankreich konnte der Bürgerkrieg erst 1598 durch das Toleranz-Edikt Heinrichs IV. beigelegt werden.

Michael Schmid