Spiele-Klassiker feiert Geburtstag

Blumeninsel mit sechs Ecken

Es ist eines der erfolgreichsten Brettspiele aller Zeiten und fasziniert seit 25 Jahren Jung und Alt: „Die Siedler von Catan“ verkauften sich weltweit mehr als 30 Millionen Mal. Die Blumeninsel Mainau im Bodensee hat Klaus Teubers Strategie-Klassiker zum Geburtstag ein ganz spezielles Arrangement gewidmet: das Spiel mit seinen typischen Waben und Rohstoffen als begehbarer lebensgroßer Nachbau.

Der Anstieg, der zu dem Catan-Feld führt, ist steil. Wer die Anreise per Schiff wählt, erreicht die Mainau von Osten her, am alten großherzoglich-badischen Hafen. Von hier aus führt der Weg empor zum barocken Insel-Schloss. Weithin ist die einstige Anlage des Deutschen Ordens zu sehen, wie sie majestätisch auf der höchsten Erhebung der Insel thront. Das Schloss wurde im 18. Jahrhundert an der Stelle einer mittelalterlichen Burg errichtet und war später im Besitz des Großherzogs von Baden.

Heute wird die Insel von einer GmbH betrieben. In diese haben der aus dem schwedischen Königshaus stammende Graf Lennart Bernadotte und seine Frau Sonja 1974 die Insel und alle Liegenschaften eingebracht. Alleiniger Gesellschafter der GmbH ist die Lennart-Bernadotte-Stiftung.

Start mit kleiner Auflage

In der sommerlichen Hitze gestaltet sich der Aufstieg schweißtreibend. Ähnlicher Mühsal dürfte sich Catan-Erfinder Teuber gegenübergesehen haben. Mehrere Jahre arbeitete er an seinem Spieleklassiker, gestaltete, verwarf und erfand neu. 1995 starteten die „Siedler“ zunächst nur in kleiner Auflage von 3000 Exemplaren beim Stuttgarter Kosmos-Verlag. Die Erstauflage war rasch ausverkauft – und schon kurz darauf gingen hunderttausende Spiele über den Ladentisch. Heute kennt fast jeder das mehrfach preisgekrönte Brettspiel.

Catan liegt abseits der Touristenpfade

Auf der Mainau scheint sich Catan fast ein wenig abseits der üblichen Touristenpfade zu verstecken: Auf einer bislang brachliegenden Wiese schält sich das Spielfeld aus der umgebenden Vegetation. Der Weg dorthin führt am Schloss vorbei, zwischen grünen Rasenflächen und gigantischen Mammutbäumen hindurch. Ein Blick fällt aufs beliebte Schmetterlingshaus, vor dem sich unter der strahlenden Bodensee-Sonne eine lange Besucherschlange gebildet hat. Tafeln weisen auf die Einhaltung des coronabedingten Mindestabstands hin.

Spielfeld mit natürlichen Rohstoffen nachgebaut

„Wir haben das Spielfeld mit natürlichen Rohstoffen nachgebaut – ganz nachhaltig“, sagt Tobias Mayer, stellvertretender Pressereferent der Mainau. Bei ihm war die Anfrage des Kosmos-Verlags gelandet, das Jubiläum des erfolgreichen Strategiespiels gemeinsam zu begehen. Die Zusammenarbeit, meint Mayer, sei naheliegend. Schließlich gehe es bei den „Siedlern von Catan“ um die Besiedlung der gleichnamigen fiktiven Insel – und auch das Bodensee-Eiland Mainau ist natürlich komplett von Wasser umgeben.

Mayer war gleich Feuer und Flamme. Er kannte das „Spiel des Jahres 1995“ nicht nur aus seiner Jugend, er hat es auch selbst begeistert gespielt. Auch die Verantwortlichen der Blumeninsel waren sofort von der Idee überzeugt. Seit vorigem Jahr wurde an der „Catan“-Installation gearbeitet, wurden Pläne geschmiedet und die benötigten Rohstoffe ausgewählt. Alles schien auf eine normale Blumen-Saison 2020 hinzudeuten, als deren Höhepunkt die Mainau ihr Catan präsentieren wollte. Dann kam Corona – und die Insel musste ihre Pforten schließen. 

Nachdem die Infektionskurve deutlich abgeflacht war, durfte die Mainau ab Mai wieder für Besucher öffnen. Eine feste Obergrenze bei den Besucherzahlen gibt es nicht, sagt Tobias Mayer. Stattdessen soll sich jeder Gast vor seinem Besuch im Internet registrieren und ein enges Zeitfenster von einer Stunde wählen, in dem er die Insel über einen der beiden Eingänge betreten will. Der Besuch kann dann den ganzen Tag dauern. Das ist Blumen- und Schmetterlingsfreunden auch anzuraten, wollen sie die ganze Schönheit des Eilands genießen.

Eine exakte Kopie

Das Catan der Mainau stellt eine exakte Kopie des Spielbretts dar – nur eben in einer ganz anderen Größenordnung. Die Rohstoffe und Baumaterialien, die im Spiel die Siedler auf der neuentdeckten Insel abbauen und verarbeiten, sind hier lebensgroß und real: von Holz und Getreide über formschöne Lehmziegel bis hin zu „echtem“ Gold. „Das Risiko, dass jemand das Gold klaut, haben wir bewusst in Kauf genommen“, erklärt Mayer mit einem Augenzwinkern. 

Alles bei Catan hat sechs Ecken

Angeordnet sind die Materialien in der für das Spiel so charakteristischen Form, die wohl jeder sofort erkennt, der das Spielbrett auch nur einmal gesehen hat. Alles in Catan hat sechs Ecken: Das Spielbrett ebenso wie die 19 Spielfelder, aus der die Insel besteht. Genau diese 19 Waben zeigt der lebensgroße Spielplan der Mainau. Jede ist rund 23 Quadratmeter groß. Selbst die Schafe grasen in einem sechseckigen Gehege. Allerdings sind sie aus Kunststoff. Echte Tiere wären dann doch ein zu großer Aufwand gewesen. Ein Wüstenfeld dient als Sandkasten für Kinder.

„Man könnte das Spiel hier spielen“, sagt Mayer schmunzelnd, „zumindest theoretisch.“ In der Praxis fehlen die Spielfiguren, die für Siedlungen, Städte und Straßen stehen. Hier auf der Mainau müssten auch sie überdimensional groß sein. Dafür steht da eine urige Holzhütte. Die Besucher der Lebend-Installation können hier „Catan“ und andere Spiele aus dem Kosmos-Verlag ausleihen und ein paar Meter weiter auf der „Spielwiese“ gleich ausprobieren.

Gepackt vom Catan-Fieber

„Ich gehe direkt auf die Leute zu“, sagt Ina Mayan Köchling, die in der Hütte auf alte und neue Catan-Freunde wartet. Die „Siedler“ hat sie zwar nie selbst gespielt. Das Catan-Fieber aber hat auch die rührige Mainau-Mitarbeiterin gepackt. Wer Fragen hat, ist bei ihr an der richtigen Stelle. Köchling erklärt, hilft weiter, erzählt – meist auf Deutsch, wenn nötig aber auch auf Englisch oder Französisch. Die Besucher nehmen das Angebot offenbar gut an. „Ich kann alle Spiele hier in der Hütte erklären“, sagt sie lächelnd. Und das sind eine Menge.

Im Blumenmeer

Obwohl das Catan-Feld etwas abseits liegt, finden viele Mainau-Gäste auf die kleine Spiele-Insel inmitten des Blumenmeers. Die Pandemie hat zwar auch auf der Mainau zu einem merklichen Besucher-Rückgang geführt, sagt Tobias Mayer. So langsam kehrt aber auch hier eine gewisse Corona-Normalität ein. „Es gibt auch Gäste, die nur wegen des Catan-Spielfelds auf die Mainau kommen“, bemerkt Köchling immer wieder. Und so hat sie gerade an sonnigen Tagen meist genug zu tun – auch mal länger als üblich. Das Catan-Fieber kennt manchmal eben keinen Dienstschluss.

Thorsten Fels

Information

Das Catan-Feld auf der Mainau ist noch bis mindestens 13. September geöffnet. Spiele können täglich von 11 bis 17 Uhr ausgeliehen werden. Infos im Internet: www.mainau.de 

01.09.2020 - Deutschland , Jubiläum , Spiele