Zum 200. Geburtstag

Der Gesundheits-Pfarrer Sebastian Kneipp

Am 17. Mai würde er 200 Jahre alt werden: Pfarrer Sebastian Kneipp. In Bad Wörishofen, seiner wichtigsten Wirkungsstätte, feiert man ihn und seine Naturheilverfahren in diesen schwierigen Zeiten ganz besonders, soweit das möglich ist. Kneipps Gesundheitsrezepte zielen darauf ab, Körper, Geist und Seele in Einklang zu bringen. Seine ganzheitliche Therapie basiert vor allem auch auf Abhärtung, zum Beispiel durch Wassertreten oder Nutzung heilkräftiger Pflanzen. Seine Stärkung des Immunsystems ist auch heute aktuell, gerade in Corona-Tagen.

Mitten im Dunkeln noch poltert ein guter Geist ins Zimmer. Im Arm ein warmes Heusäckchen, das er sorgsam auf den Bauch unter die Bettdecke schiebt: Seit Jahrzehnten gehört dieses Ritual zum Kneipp-Repertoire im Dominikanerinnenkloster von Bad Wörishofen. Wenig später steht Tautreten im Klostergarten auf dem Programm, das zusammen mit kalten Güssen, Wassertreten und Armbädern den Kreislauf auf Trab bringen und das Immunsystem aufmöbeln soll. 

Bad Wörishofens Dominika­nerkloster ist so etwas wie die Urzelle der Kneipp-Bewegung. Das Original Kneipp-Hotel nennen die Schwestern deshalb ihre „KurOase“, die heute von der Kolping-Gruppe betrieben wird: ein Gesundheits­hotel mit meditativem Ambiente und nachhaltiger Küche. Fernseh­geräte gibt es keine auf den Zimmern, dafür Räume mit schönen Blicken in den Klostergarten.

1855 riefen die Nonnen Sebastian Kneipp als Beichtvater in ihr Kloster, dessen Gebäude samt prachtvoller Barockkirche 1821 entstanden. Bis zum Tod im Jahr 1897 wirkte Kneipp als geistlicher Mentor und Ratgeber der Dominikanerinnen. Daran erinnert auch das Kneipp-Museum im Ostflügel der Anlage. Sein Wohn-, Schlaf- und Arbeitszimmer ist zu sehen, samt Mitbringsel von den Begegnungen mit dem Papst.

„Alt wollen Sie werden“ hatte Pfarrer Kneipp, der Nicht-Mediziner, einmal einem Ratsuchenden gesagt, „gesund wollen Sie werden. Aber etwas dafür tun wollen Sie nicht!“ Seine Anleitungen packte er in zahlreiche Bücher. Fünf Säulen hat sein Gesundheitsmodell, das den Menschen als ganzheitliches, für seine Gesundheit verantwortliches Wesen begreift.

Hängematten im Wald

Dazu gehören eine gesunde Ernährung und viel frische Luft. Schon zu Kneipps Zeiten hängte man im Stadtwald Hängematten zur Erholung auf. Heute führt ein eigens ausgewiesener Waldweg auf bis zu zwölf Kilometern Länge durch Bad Wörishofen. An 40 Stationen erfährt man mehr über Kneipps Heilverfahren. Sein Wissen um die Kraft der Kräuter lässt sich auf geführten Wanderungen durch die Kräutergärten der Stadt erfahren. Und wieder ganz andere Erfahrungen können Wagemutige auf einem ausgeschilderten Barfuß-Trail über Wiesen und durch Schlammlöcher im 163 000 Qua­dratmeter großen Kurpark machen. 

Der Mann, der heute für Millionenumsätze nicht nur in Bad Wörishofen sorgt, kam am 17. Mai 1821 in Stephansried, das heute zu Ottobeuren gehört, als Sohn eines Webers zur Welt. Schon als Elfjähriger musste er dem Vater am Webstuhl helfen. Als Knecht verdingte er sich in Grönenbach, wo er im  katholischen Kaplan und dem evangelischen Ortspfarrer zwei Förderer fand, die ihn auf dem Weg zum Theologiestudium unterstützten.

Als junger Mann badete Kneipp bis zu dreimal wöchentlich in eiskaltem Wasser. Er versprach sich davon Hilfe gegen eine Tuberkulose. Ein Ritual, das er auch als geheilter Kaplan in Bayrisch-Schwaben beibehielt. Weil er mit Wadenwickeln und weiteren Heilpraktiken zunehmend auch andere Menschen behandelte, geriet er ins Visier der Justiz, die ihn als Kurpfuscher anklagte. Auch die Apotheker machten gegen den Pfarrer Front, weil er angeblich ihre Geschäfte schädige.

Kneipp aber machte weiter, vor allem als sein Vater der damals grassierenden Cholera zum Opfer fiel und er viele Cholera-Kranke nach seinen Methoden retten konnte. Als „Cholera-Kaplan“ versetzte man ihn deshalb nach Augsburg. 

Päpstliche Besucherwelle

1855 kam er nach Bad Wörishofen, wo er die Schwestern des Dominikanerklosters mit neuen landwirtschaftlichen Methoden wie dem Veredeln von Bäumen oder der Imkerei bekannt machte – vor allem aber mit Wasserkuren, die aus dem Bauerndorf einen Kurort machten. Mit nur einer Stimme Mehrheit beschloss dies im Dezember 1890 der Gemeinderat. Für die erste große Besucherwelle sorgte der Papst, dem Kneipp mit einer Wasserkur die Schlaflosigkeit genommen hatte.  

Kneipps Badehaus, 1860 im Garten des Dominikanerinnenklosters zur Applikation seiner kalten und warmen Wassergüsse errichtet, gibt es noch immer – auch wenn es inzwischen an anderer Stelle steht. Auch St. Justina, die Stadtpfarrkirche, wo er ab 1881 als Pfarrherr diente, zeugt von seinem Wirken – mit einem Fresko, das Kneipp bei der Predigt vor Kranken und Gesunden zeigt. Wie populär die Gesundheitsrezepte des Pfarrers auch heute sind, zeigen die gut 1200 deutschen Kneippvereine mit ihren über 200 000 Mitgliedern. 

Günter Schenk

17.05.2021 - Gesundheit , Kirchen , Spiritualität