Menschen wogen abends durch Ladenpassagen mit blinkenden Buntlichtern. Adrett gekleidete Leute verschwinden in Boutiquen, Schuhläden oder Restaurants. Man isst hier gerne Okonomiyaki – herzhafte Pfannkuchenschichtwerke mit Kohl, Speck und Eiern. Radler sind auf dem Weg nach Hause, Kinder mit geschulterten Musikinstrumenten: Alltag in Hiroshima, einer Zwei-Millionen-Metropole im Südwesten Japans. Es scheint zunächst, als wäre nie etwas gewesen.
Am Fluss Motoyasu-Gawa herrscht eine eigentümliche Ruhe, die die Gedanken aufwühlt und dazu zwingt, sich der Vergangenheit zu stellen. Dort, wo das Spiegelbild des „Atomic Bomb Dome“ im Wasser verschwimmt. Der Kuppelbau, vormals eine Ausstellungshalle der regionalen Industrie- und Handelskammer, ist eine Ruine, ein Gerippe, als Mahnmal erhoben zum Weltkulturerbe.
Im Zentrum Hiroshimas blieb das Gebäude nach dem Morgen des 6. August 1945 als eines der wenigen in seiner Grundstruktur erhalten, trotz schwerster Beschädigungen. Der Rest der Stadt fiel fast komplett in Schutt und Asche. Hier spielte sich eine der erschütterndsten Tragödien der Menschheit ab. Oder sollte man besser sagen: eines der barbarischsten Verbrechen?
Trumans Todesbefehl
8.15 Uhr. Das war an jenem Tag der Moment, der die Geschichte Hiroshimas in ein Davor und ein Danach zerriss. In einer Höhe von 600 Metern über der Stadt detonierte die Atombombe, die den Spitznamen „Kleiner Junge“ trug, „Little Boy“. Den Befehl hatte US-Präsident Harry S. Truman gegeben, drei Tage später folgte ein zweiter Abwurf auf Nagasaki. Kurz darauf ergab sich Japan. Damit endete, wenige Monate nach der Kapitulation der deutschen Wehrmacht, auch hier der Zweite Weltkrieg.
Der „Kleine Junge“ wog vier Tonnen, war drei Meter lang und maß 70 Zentimeter im Durchmesser. Das B-29-Bomberflugzeug „Enola Gay“ war vom pazifischen US-Truppenstützpunkt Tinian gestartet und Stunden durch die Nacht geflogen. Die Sicht auf Hiroshima war klar, als die Besatzung die Bombe ausklinkte. Anhaltspunkt war eine strategisch wichtige Flussbrücke beim heutigen „Atomic Bomb Dome“.
Explosionswelle, Radioaktivität und die enorme Hitze, die am Boden um 3000 bis 4000 Grad lag, wirkten auf komplexe Weise zusammen. Zehntausende Zivilisten starben sofort, bis Ende Dezember 1945 waren örtlichen Angaben zufolge 140 000 Tote registriert. Hinzu kam ungezähltes Leid durch Langzeitschäden.