Klimaschutz und Schöpfungsbewahrung

Die Kirche in der Pflicht

Es war wohl weit mehr als ein kleiner imagepflegender Beitrag zu mehr Grün im Vatikan, als Papst Franziskus am Gedenktag seines Namenspatrons in den Vatikanischen Gärten einen Baum pflanzte. Die Steineiche aus Assisi soll Christen in aller Welt als Symbol der Hoffnung dienen: der Hoffnung darauf, dass die großen ökologischen Probleme auf der Erde, wie sie etwa bei der Amazonas-Synode zur Sprache kamen, gelöst werden können. Dafür muss die Verantwortung für die Schöpfung noch mehr Gewicht innerhalb der Kirche erhalten.

Bereits wenige Tage vor dem Beginn der „Schöpfungszeit“, die alljährlich vom 1. September, dem Weltgebetstag der Fürsorge für die  Schöpfung, und dem 4. Oktober, dem Franziskus-Tag, begangen wird, rief der Papst zum Gebet auf: Und zwar dafür, dass die im Sommer in großem Ausmaß wütenden Feuer im Amazonas aufhören. „Lasst uns dafür beten, dass die Brände mit vereinten Kräften schnellstmöglich gebändigt werden“, sagte Franziskus Ende August nach dem Mittagsgebet auf dem Petersplatz. Der Regenwald sei als grüne Lunge „notwendig für unseren Planeten“.

Dementsprechend wurde der ökologischen Situation der arten- und rohstoffreichen Urwald­region in Lateinamerika im Rahmen der Amazonas-Synode vom 6. bis 27. Oktober in Rom ein zentraler Stellenwert eingeräumt. Auch wurde über mehr Rechte für Indigene beraten, ebenso über neue Formen der Seelsorge in Gebieten mit wenigen Priestern.

Bereits mit seiner Umwelt-Enzyklika „Laudato si“, benannt nach dem Lobgesang des heiligen Franziskus von Assisi vor 800 Jahren, hatte der Stellvertreter Christi 2015 daran erinnert, „dass unser gemeinsames Haus wie eine Schwester ist, mit der wir das Leben teilen, und wie eine schöne Mutter, die uns in ihre Arme schließt“. In der ersten Umwelt-Enzyklika in der 2000-jährigen Geschichte des Papsttums warnte Franziskus davor, aus der Erde eine „Müllhalde“ zu machen. „Wir sind nicht Gott. Die Erde war vor uns da und ist uns gegeben worden“, mahnte er.

„Kernbestandteil“

Mattias Kiefer, Sprecher der Umweltbeauftragten der deutschen Diö­zesen und Umweltbeauftragter des Erzbistums München und Freising, sieht in „Laudato si“ einen Meilenstein. Mit der Enzyklika sei „das Mitbedenken der Folgen menschlichen Handelns auf die natürliche Mitwelt als Kernbestandteil der kirchlichen Soziallehre verankert“ worden.

Die Deutsche Bischofskonferenz will die ökologischen Folgen menschlichen Handelns ebenfalls stärker in den Blick nehmen, auch innerhalb der Kirche. So hat sie schon bei ihrer Herbst-Vollversammlung im Vorjahr beschlossen, Handlungsempfehlungen zu Ökologie und nachhaltiger Entwicklung in den deutschen Diözesen zu formulieren, über deren Umsetzung regelmäßig  berichtet werden soll. Im Januar wurden die Handlungsempfehlungen durch „Zehn Thesen zum Klimaschutz“ ergänzt.

Demnach wird das gesamtgesellschaftliche Ziel, in Deutschland „so früh wie möglich, spätestens bis 2050 klimaneutral zu sein“, auch als Zielmarke für den eigenen kirchlichen Verantwortungsbereich definiert. „Damit gibt es eine klare Verpflichtung der deutschen Bischöfe, im Bereich des eigenen schöpfungsgerechten Handelns endlich ernst zu machen“, sagt Kiefer.

Weniger zufrieden mit der kirchlichen Umweltarbeit zeigt sich Isolde M. Schönstein, Leiterin der 1992 von ihr im niederösterreichischen Stift Heiligenkreuz gegründeten Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Schöpfungsverantwortung: „Während es einzelne sehr gute Projekte beziehungsweise ganzheitliche lokale Entwicklungen gibt, fehlt weitgehend die Konsequenz in Verkündigung und Lebenspraxis, wozu auch umweltpolitisches Engagement ge-
hört. Offensichtlich fällt es sehr schwer, eine entsprechende Mobilität, Energieversorgung und Beschaffung zu erreichen.“

„Handlungsbedarf“

Die ARGE sei dafür eingetreten, das von ihr entwickelte Leitbild für Umweltbeauftragte in einer Stabsstelle und beim Berater des jeweiligen Bischofs zu verankern. Allerdings: „Das Angebot von Wissenschaftler-Hearings wurde über viele Jahre nicht angenommen. Erst 2015 wurde eine Kimaexpertin eingeladen“, sagt Schönstein, die auch Mitbegründerin des Europäischen Christlichen Umweltnetzwerks ECEN ist. Dieses hat zusammen mit der ARGE Schöpfungsverantwortung die „Schöpfungszeit“ ausgearbeitet und initiiert. „Handlungsbedarf besteht in allen Kirchen“, findet Schönstein.

Mehr Engagement für den Klimaschutz seitens der Kirchen verlangt auch die Bewegung „Fridays for Future“. Dazu hat die Münchner Ortsgruppe im September einen Katalog mit Forderungen veröffentlicht. Dieser Katalog wurde bei einer Tagung in der Katholischen Akademie in Bayern, Mitglied des „Ökumenischen Netzwerks Klimagerechtigkeit“, mit hochkarätigen Podiumsteilnehmern diskutiert. An der Veranstaltung in München nahmen neben Mattias Kiefer auch der Potsdamer Klimaökonom Ottmar Edenhofer und der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick teil.

Laut „Fridays for Future“ sollten die Kirchen bei den großen Streiks rund alle zwei Monate zur Unterstützung die Glocken läuten lassen. Kirchenmitarbeiter sollten bei Dienstreisen auf Inlandsflüge verzichten. Weiter müsse Klimaschutz im Religionsunterricht unter den Aspekten Nächstenliebe und Bewahrung der Schöpfung stärker betont werden.

Geldanlage mit Bedacht

Schließlich sollten kirchliche Organisationen kein Geld mehr bei Firmen anlegen, die Gewinne aus fossilen Energieträgern erwirtschaften. Das Netzwerk „Churches for Future“ aus mehr als 60 Organisationen hat sich mit „Fridays for Future“ solidarisch gezeigt. Es appelliert an die Kirchenmitglieder, das Engagement für Klimagerechtigkeit deutlich zu verstärken.

„Den jungen Leuten bei Fridays for Future ist großer Respekt und Dank zu zollen, dass sie durch ihr persönliches Einstehen die Dramatik und Existenzbedrohung durch den Klimawandel, so, wie die Wissenschaft diese beschreibt, auf der Straße bezeugen“, lobt Mattias Kiefer. Der Sprecher der diözesanen Umweltbeauftragten sagt weiter: „Inhaltlich sind die Forderungen der Bewegung ja nichts Neues, nur sind sowohl die Wissenschaft als auch die klassischen zivilgesellschaftlichen Akteure bislang gesellschaftlich und politisch zu wenig durchgedrungen.“ Allerdings sollte man sich davor hüten, andere „zur Durchsetzung einer eigenen Agenda“ zu instrumentalisieren.

Bedrohung minimieren

Auch Schönstein begrüßt das Engagement von Fridays for Future: „Grundsätzlich ist die Zusammenarbeit mit den Fridays wünschenswert – wie überhaupt nur die Zusammenarbeit aller guten Kräfte dieser Welt die globale Bedrohung minimieren kann.“ Laut der Leiterin der ARGE Schöpfungsverantwortung gehört es zur kirchlichen Tradition, dass die Umkehr immer bei einem selber beginnt.

Angesichts der ökologischen Krise müsse die Umweltarbeit eine zentrale Rolle auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens einnehmen.  „Ein Drittel der Weltbevölkerung gehört christlichen Kirchen an. Für sie alle gilt, die Gaben der Schöpfung zu verwalten und schließlich dieses ,Lehen‘ künftigen Generationen lebensfähig zu überantworten“, fordert die österreichische Umwelt­aktivistin. „Wir dürfen nicht damit rechnen, dass jetzt die jungen Menschen für uns die Welt retten werden.“

Michael Link

15.11.2019 - Klimawandel , Schöpfung , Umwelt