Benni Over kämpft gegen die Zerstörung des Regenwalds

Hilfe für die Orang-Utans

Es war gewissermaßen Liebe auf den ersten Blick. Denn mit ihren Augen haben die Orang-Utans Benni Over in ihren Bann gezogen. „Ihre Augen berühren in der Seele“, findet der junge Mann aus Niederbreitbach im Norden von Rheinland-Pfalz. Die erste Begegnung mit den rothaarigen Menschenaffen im Berliner Zoo ist nun schon viele Jahre her. Aber sie faszinieren ihn bis heute. Mit großem Engagement setzt er sich für die Tiere ein. Dass er unter schleichendem Muskelschwund leidet und seit seiner Pubertät fast vollständig gelähmt ist, hält den 29-Jährigen dabei nicht auf.

Die Orang-Utans sind dringend auf Hilfe angewiesen, denn ihr Lebensraum schwindet rasant: Allein 2018 gingen weltweit zwölf Millio­nen Hektar Regenwald verloren. Und ohne Regenwald gibt es für die Orang-Utans kein Überleben. Umgekehrt profitiert auch der Regenwald von den Affen. Over erklärt: „Sie sorgen mit ihrer Futterauswahl und dem Ausscheiden von Samen für den Fortbestand der Wälder – jener Wälder, die das Oxygen produzieren, welches die Welt so dringend braucht.“ 

Denn was zuerst die Orang-Utans trifft, bedroht in Zukunft auch die Menschen. „Die Vernichtung des Regenwalds hat dramatische Folgen für das Weltklima. Das finde ich fürchterlich. Und deshalb setzte ich mich mit meiner ganzen Kraft für die Rettung der Orang-Utans und deren Lebensraum ein“, sagt Over.

Kurz nach seinem ersten Zoobesuch hatte er eine zündende Idee: Er wollte ein Kinderbuch über Orang-Utans schreiben, um über ihr Schicksal aufzuklären. „Und wenn Benni mal was im Kopf hat, dann geht das da nicht mehr raus“, erzählt sein Vater, Klaus Over. Also wurde alles darangesetzt, um Bennis Traum zu verwirklichen. „Dass daraus mal eine solche Initiative werden sollte, ahnte damals keiner von uns.“ 

Als die ersten Motive für das Buch fertig waren, kam die Idee auf, diese auch für einen kurzen Film zu verwenden. Es entstand ein liebevoll illustrierter Trickfilm mit dem Titel „Henry rettet den Regenwald“, der fantasievoll und kindgerecht auf die Not der Orang-Utans und den Verlust des Regenwalds aufmerksam macht. Der Film für Kinder ab sechs Jahren kann im Internet angesehen werden und ist auch als DVD erhältlich. 

Anfang 2017 erschien dann das gleichnamige Bilderbuch. Henry, der Held der Geschichte, ist nach einem kleinen Orang-Utan benannt, für den Benni vor langer Zeit eine Patenschaft übernommen hat. Gezeichnet wurden die ausdrucksstarken Bilder für Film und Buch von der Heilerziehungspflegerin Kathrin Britscho. „Kathrin, die mich an zwei Vormittagen pro Woche betreut, ist künstlerisch sehr begabt“, erzählt Benni Over. „Sie hat die Motive vorgezeichnet und mir danach den Pinsel mit der richtigen Farbe gegeben. Dann konnte ich die Motive kolorieren. Das ging ganz gut, weil ich Gott sei Dank meine Finger noch bewegen kann.“ 

Eine Lebensaufgabe

Mit dem Buch erfüllte sich ein Herzenswunsch des Tierfreunds. Doch damit war es längst nicht getan. Mit der Zeit nahm das Projekt „Orang-Utan-Rettung“ immer größere Dimensionen an. Klaus Over ist dafür sehr dankbar: „Benni hat eine sinnerfüllende Arbeit, wenn nicht sogar seine Lebensaufgabe gefunden. Diese unterstützen wir mit unserer ganzen Kraft und Liebe.“ Wenn aus einer Herzensangelegenheit des eigenen Kindes eine Lebensaufgabe werde, sei das ein großes Geschenk, finden Bennis Eltern. „Wir haben viel gelernt und sind wohl selbst zu Aktivisten geworden.“ Gemeinsam mit ihrem Sohn seien sie Schritt für Schritt mit dem Projekt und an dem Projekt gewachsen.  

Richtig in Fahrt kam dieses 2016, als sich Benni Overs größter Traum erfüllte: Er reiste mit seiner Familie und einem kleinen Helferteam nach Indonesien, um seine Lieblingstiere in deren Heimat zu besuchen. Diese Reise war für den jungen Mann im Rollstuhl mit großen Strapazen verbunden. Dank vieler Helfer überwand er alle Hindernisse, besuchte auf Borneo Orang-Utan-Camps, traf Umweltschützer und begegnete dem einheimischen Volk der Dayak. 

Schlammige Wege und selbst eine zusammengebrochene Brücke hielten ihn dabei nicht auf: „Wir waren in Schulen, in Familien und sogar mitten im Dschungel, in einem kleinen Dorf namens Temback“, erzählt Benni Over. Auch sein „Patenkind“ Henry – den Orang-Utan, nach dem sein Buch benannnt ist  – konnte er treffen. „Das war ein unglaubliches Erlebnis“, erinnert sich Over. 

Doch während der Reise sah er auch, wie sehr die Heimat der „Waldmenschen“ – so die wörtliche Übersetzung von Orang-Utan – in Gefahr ist: Stundenlang fuhr die Reisegruppe vorbei an gerodeten Waldflächen, über vergiftete Flüsse und durch kilometerlange Palmölplantagen. „Hier ist kein Platz mehr für Orang-Utans und andere Tiere“, sagt Over. „Die Folgen der Abholzung wurden mir unmittelbar vor Augen geführt. Das hat mir Angst gemacht.“ 

Unermüdlich im Einsatz

Die Umwelt- und Tierschützer auf Borneo ernannten den jungen Mann zum „Orang-Utan-Warrior“ – zum Botschafter für Orang-Utans. Sie gaben ihm eine große Aufgabe mit auf den Weg: „Erzähl in deiner Heimat davon. Die Menschen sollen wissen, welche Folgen die Zerstörung des Regenwaldes hat – nicht nur hier, sondern weltweit!“ Dieser Aufgabe widmet sich Benni Over seitdem von ganzem Herzen.

Obwohl seine Krankheit fortschreitet und er seit einem Herzstillstand im Dezember 2016 künstlich beatmet werden muss, tourt er unermüdlich durch Schulen, Zoos und Universitäten. Dort hält er Vorträge, erzählt von seiner Reise nach Borneo, vom ungewissen Schicksal der Orang-Utans und von der Zerstörung der lebensnotwendigen Wälder.

Ideen für die Zukunft 

Mit den Kindern und Jugendlichen erarbeitet er Ideen für eine bessere Zukunft. „Viele Menschen wissen nicht, welche dramatischen Folgen die Zerstörung des Regenwalds hat. Ich möchte aufklären, wachrütteln und Menschen dazu motivieren, ihr Konsumverhalten zu verändern.“ 

In der Hälfte aller Produkte im Supermarkt steckt heute Palmöl. Wer darauf verzichten möchte, verbringt viel Zeit damit, das Kleingedruckte zu lesen. Das ist mühsam und frustrierend: Fertigpizza, Schokolade, Kekse, Eiscreme – wer Palm­öl konsequent meiden will, muss auf viele leckere Dinge verzichten. Auch in zahlreichen Kosmetikartikeln, in Waschmittel oder Kerzen steckt das pflanzliche Fett. Und was kaum einer weiß:  Fast ein Drittel des in die EU importierten Palmöls wird für die Produktion von Biodiesel sowie für die Strom- und Wärmeerzeugung eingesetzt.

Mit 66 Millionen Tonnen pro Jahr ist Palmöl das meist produzierte Pflanzenöl. Die Palmölplantagen dehnen sich weltweit auf inzwischen mehr als 27 Millionen Hektar Land aus. Auf einer Fläche so groß wie Neuseeland mussten die Regenwälder und ihre Bewohner bereits kilometerlangen Monokulturen weichen. Die Gründe dafür sind einfach: Der Palmöl-Anbau ist effizient, die Ölpalme hat einen sehr hohen Ertrag. Zudem ist das Fett geschmacksneutral und lange haltbar. Und nicht zuletzt ist Palmöl billig. Aber der Preis, den die Menschheit einmal dafür zahlen muss, ist hoch.

Allein die Rodung des Waldes setzt große Mengen CO2 frei. In Indonesien steht zudem sehr viel Wald auf Torfmooren, die besonders viel CO2 speichern. Bei der Umwandlung eines einzigen Hektars Torfmoorregenwald entweichen bis zu 6000 Tonnen CO2. Eine Katastrophe für das Weltklima.

Benni Over betont: „Es braucht eine dringende Änderung in Einstellung und Verhalten gegenüber  Natur, Umwelt und Arten. Denn aus der Vogelperspektive betrachtet sind wir Menschen dabei, die ganze Schöpfung quasi aufzuessen.“ Die Komplexität der notwendigen Kehrtwende und das abwartende Verhalten der Politiker führe allerdings bei vielen Menschen zu der hoffnungslosen Haltung: „Was kann ein Einzelner da schon machen?“ – Diese Einstellung hält Over für falsch. Er ist überzeugt: „Wenn sich Einzelne zusammentun, kann daraus eine Bewegung werden. Dann kommt etwas in Gang und damit werden hoffentlich Regierungen und auch die Industrie zum Handeln gezwungen.“ 

Dass jeder Mensch etwas erreichen kann – dafür ist Benni Over selbst das beste Beispiel. Er konnte in den vergangenen Jahren schon viel bewirken und hat noch viel vor. Anfang des Jahres hat er eine Spendenaktion zur Unterstützung eines Wiederaufforstungsprojekts gestartet. In Kooperation mit der niederländischen Masarang-Stiftung und dem Nürnberger Verein „Lebensraum Regenwald e. V.“ wird im indonesischen Temboan ein neuer Wald entstehen. Er wird den Namen „Bennis Wald“ tragen.

Simone Sitta

Informationen:

Mehr über Benni Overs Kampf für die Orang-Utans, die Bücher, den Film und das Wiederaufforstungsprojekt unter: www.henry-rettet-den-regenwald.de.

03.09.2019 - Schöpfung , Tiere