Weltpremiere vor 65 Jahren

"Sissi" – Historienfilm der Herzen

„Sissi“ darf an Weihnachten nicht fehlen. Die drei Verfilmungen aus den 1950er Jahren ziehen an den Feiertagen noch immer junges und altes Publikum vor die Bildschirme. Die Erfolgsgeschichte begann mit der Weltpremiere vor 65 Jahren. Damals traf Regisseur Ernst Marischka beim Publikum den Nerv der Zeit.

Als einen „Farbfilm der Anmut, der Jugend, der Romantik und der Erfüllung einer großen Liebe“, „eine strahlende Schau der Lebenslust, echt und menschlich“ bewarb ihn die Kinovorschau. Am 21. Dezember 1955 feierte der Film „Sissi“ in Österreich Weltpremiere. Bald gab es dort und in (West-)Deutschland sprichwörtlich kaum jemanden, der den Historienfilm mit Heimatfilmeinschlag, der eine der erfolgreichsten deutschsprachigen Filmproduktionen werden sollte, nicht gesehen hatte. 

Mit „Sissi – Die junge Kaiserin“ und „Sissi – Schicksalsjahre einer Kaiserin“ folgten 1956 und 1957 zwei Fortsetzungen. Die dreiteilige Liebesgeschichte zwischen Prinzessin Elisabeth in Bayern (Romy Schneider) und dem Habsburger-Kaiser Franz Joseph (Karlheinz Böhm) lockte in den Erscheinungsjahren rund sechs Millionen Zuschauer in die Kinos.

Bewegte Vorgeschichte

Das Werk hat eine bewegte Geschichte. Ursprünglich basiert die Handlung auf einem Theaterstück mit dem Titel „Sissys Brautfahrt“ von Ernst Décsey und Gustav Holm. 1931 erwarb der österreichische Regisseur und Drehbuchautor Hubert Marischka die Rechte an dem Stück und schrieb es mit seinem Bruder Ernst – der bei den Sissi-Verfilmungen Regie führen sollte – zu einem Singspiel mit dem Titel „Sissy“ um. Am Theater an der Wien entwickelte es sich zu einem Publikumserfolg.

Auf die Leinwand schaffte es die kaiserliche Liebesgeschichte zunächst in den USA: In der Absicht, aus dem Schauspiel einen Film zu machen, kaufte die amerikanische Filmgesellschaft Columbia für 160 000 Dollar die Rechte an „Sissy“ und erreichte 1936 mit dem komödiantischen, heute kaum bekannten Streifen „The King Steps Out“ einen Kassenschlager. 

Ernst Marischka wollte 1955 ebenfalls einen Film aus der Geschichte machen. Weil er die an Columbia verkauften Rechte nicht zurückerwerben konnte, erwarb er die am Roman „Sissi. Der Schicksalsweg einer Kaiserin“ von Marie Blank-Eisman und konzipierte
daraus und – wie 2015 gerichtlich bestätigt – mit deutlichen Einflüssen aus dem verkauften Singspiel das Drehbuch für seinen Film. 

Die Idylle aus schönen Landschaftsaufnahmen, heiler Familie in Possenhofen, einer märchenhaften Handlung mit viel Gefühl, wenig Politik und idealistischen statt absolutistischen Herrschern gefiel den Menschen, denen der Zweite Weltkrieg und die entbehrungsreiche, sorgenvolle Nachkriegszeit noch in den Knochen steckte. Prächtige Kleider, prunkvolle Schloss- und Ballszenen und ein sich ehrlich liebendes Traumpaar erfüllten die Sehnsüchte von Mädchen und Frauen. 

Allen voran begeisterte das Kaiserpaar, vor allem die weibliche Hauptdarstellerin. „Sie werden entzückt sein von Sissi mit Romy“, wurde dem Publikum im Trailer versprochen – und die Prophezeiung sollte sich erfüllen. 

Romy war Sissi

Der Regisseur besetzte Sissi mit der damals erst 16 Jahre alten Romy Schneider, der so der Durchbruch gelang. Durch ihre – für ihr Alter – beeindruckend natürliche und authentische Darstellung der jungen Kaiserin in allen Gefühlslagen spielte sie sich in die Herzen der Zuschauer. Romy war Sissi. 

Wie die junge Kaiserin am österreichischen Hof fühlte sich die Schauspielerin jedoch in der ihr zugewiesenen Rolle mehr und mehr gefangen. Schneider wollte nicht schon in so jungem Alter auf diese eine Rolle festgelegt sein. Aus diesem Grund lehnte sie es ab, bei dem vierten geplanten Sissi-Film mitzuwirken. Die beliebteste Schauspielerin (West-)Deutschlands schlug die Gage von einer Million Mark aus, ging nach Paris und „enttäuschte“ ihr Publikum fortan durch völlig gegensätzliche Charaktere und ein unstetes Leben in Frankreich. 

Doch die Faszination blieb:
wegen ihrer Schönheit, ihrer Ausstrahlung, dem vielseitigen Talent, aber auch dramatischen Einschnitten in ihrem Leben. Dazu zählte  vor allem der Tod ihres Sohns, den Schneider nicht verkraftete, und ihr eigenes Sterben am 29. Mai 1982 mit 43 Jahren. 

Im Tod verbunden

Karlheinz Böhm konnte nach der Sissi-Trilogie nicht mehr an den ganz großen Erfolg anknüpfen. Durch seine Arbeit mit dem gesellschaftskritischen Regisseur und Filmemacher Rainer Werner Fassbinder erwachte Böhms Interesse für globale Probleme. Bei einem Afrikaaufenthalt erschütterte ihn die Armut der Bevölkerung. 1981 gründete er die Hilfsak­tion „Menschen für Menschen“. Bis ins hohe Alter kämpfte er für die Abschaffung von Kinderehen und weiblicher Genitalverstümmelung und für umfassende Bildung. Sein Tod mit 86 Jahren verbindet ihn mit seiner früheren Schauspielkollegin: Karlheinz Böhm starb 2014 am selben Tag wie Romy Schneider, nur 32 Jahre später.

Der Erfolg von „Sissi“ geht indessen weiter. Dass böse Zungen die Trilogie als Kitsch und anspruchslose Unterhaltung bewerten, tut der Beliebtheit keinen Abbruch. Verfilmungen, die sich reali­tätsgetreuer an der Geschichte des Kaiserpaars orientieren, erreichten nie die Popularität des Originals der 50er Jahre. Bei diesem können die Zuschauer mit Franz Joseph und Sissi Freud und Leid teilen sowie bei der Hochzeit, dem strengen Hof­zeremoniell, Sissis Krankheit und der Liebe zwischen beiden, die über alles trägt, mitfiebern und mitfühlen. Lydia Schwab

Information:

Die Trilogie ist an den Weihnachts­feiertagen jeweils in der ARD zu sehen: „Sissi“ am 25. Dezember 2020 um 

14.55 Uhr; „Sissi – Die junge Kaiserin“ am 25. Dezember 2020 um 16.40 Uhr; „Sissi – Schicksalsjahre einer Kaiserin“ am 26. Dezember 2020 um 16.45 Uhr.

21.12.2020 - Kino , Österreich , Weihnachten