Da steht er, der bronzene Johann Sebastian Bach vor der Thomaskirche – ein kräftiger Herr mit wachem Blick. Einer der wusste, was er konnte und wollte. Zu diesem Denkmal zieht es alle Bach-Fans. Im Vorjahr spielten und sangen dort auch junge Menschen aus der Ukraine passend zum Sprichwort: „Nicht alle Musiker glauben an Gott, doch an Bach glauben sie alle.“ Selbst heutige Komponisten zitieren ihn, der stets ein „Soli Deo gloria“ (Gott allein gebührt Ehre) ans Ende seiner Partituren setzte.
Violine, Cembalo, Orgel
Johann Sebastian Bach wird am 21. März 1685 in Eisenach in eine weitverzweigte, musikalisch begabte Familie hineingeboren. Mit neun Jahren ist er Vollwaise und zieht 1695 nach Ohrdruf zu seinem älteren Bruder Johann Christoph, der ihn musikalisch fördert. Johann Sebastian spielt schon frühzeitig Violine, Cembalo und Orgel, sodass er nach dem Schulabschluss 1703 schnell die passende Arbeit findet.
In Arnstadt und Mühlhausen wirkt er als Organist, in Weimar wird er 1708 zum Hoforganisten und Konzertmeister ernannt. Dennoch wechselt er 1717 mit seiner Frau Maria Barbara und den vier (von ursprünglich sieben) Kindern nach Köthen. Dort, am Hofe des jungen Fürsten Leopold von Anhalt-Köthen, ist Bach Kapellmeister und Kammermusikdirektor.
1720 trifft ihn ein Schicksalsschlag: Als er zusammen mit Fürst Leopold von einer Dienstreise zurückkehrt, ist seine 35-jährige Frau verstorben und sogar schon beerdigt. Eineinhalb Jahre später, am 3. Dezember 1721, heiratet er die erst 20-jährige „fürstliche Sängerin“ Anna Magdalena Wilcke, nun „Capellmeisterin“ Anna Magdalena Bach. Er selbst ist da 36.
Johann Sebastian bewirbt sich als Thomaskantor in der Messe- und Universitätsstadt Leipzig. Die dortigen Ratsherren wollen jedoch den schon berühmten Georg Philipp Telemann von Hamburg nach Leipzig locken. Dessen Dienstherr legt ein Veto ein. Ähnlich verläuft es beim Darmstädter Kapellmeister Johann Christoph Graupner.
„Da man nun die Besten nicht bekommen könne, so müsse man mittlere nehmen“, äußert der Leipziger Ratsherr Abraham Christoph Plaz. Zu ihnen gehört auch Johann Sebastian Bach. Der aber
überzeugt mit zwei Kantaten und wird am 22. April 1723, vor genau 300 Jahren, zum Thomaskantor und „director musices“ gewählt. Dass sie ein Genie erhielten, haben die meisten Leipziger während Bachs 27-jähriger Tätigkeit weder begriffen noch gewürdigt.
Bach ist nun verantwortlich für vier Kirchen und vor allem für die musikalische Gestaltung der Sonntagsgottesdienste in der Thomas- und Nikolaikirche. Entsprechend schult er den Thomanerchor. Beste Musik will er komponieren und zwar sofort. Gleich nach dem Umzug mit seiner Familie gestaltet er am 30. Mai 1723 seinen ersten Leipziger Gottesdienst mit der Kantate „Die Elenden sollen essen“.
Danach und aus eigenem Antrieb komponiert nun Bach für jeden Sonntag im Kirchenjahr eine Kantate. Nach Aufzeichnungen von Bachs Sohn Carl Philipp Emanuel hat er fünf Kantatenjahrgänge geschaffen, doch nur die beiden ersten sind fast vollständig erhalten, der dritte zum Teil. Die beiden anderen sind verloren.
Bachs erste Jahre in Leipzig sind seine produktivsten. Schon am 11. April 1723 überrascht er mit der Uraufführung seiner Johannespassion. Nach weiteren Kantaten und Motetten kann er am Karfreitag 1729 sein Opus magnum vorstellen, die doppelchörige Matthäus-Passion. Doch das Publikum und die Ratsherren empfinden das Werk als zu opernhaft. Doch Bach ist sich ihrer Zukunftsfähigkeit bewusst.
Das 1736 gefertigte Autograph der Matthäus-Passion wird sein schönstes und liegt in der Staatsbibliothek zu Berlin, die rund 80 Prozent von Bachs reichhaltigem Werk hütet. „Bach sollte nicht Bach, sondern Meer heißen“, äußerte später Ludwig van Beethoven. Bachs „Air“ (aus der Orchestersuite Nr. 3) ist auch heute noch ein Renner. Daneben komponiert Bach auch volkstümliche Stücke, gespickt mit Anzüglichkeiten, wie im Hochzeits-Quodlibet sowie in der Kaffee- und Bauern-Kantate zu hören ist.