Josefstag am 19. März

Ein Heiliger zwischen Adel und Armut

Krippendarstellungen zeigen den heiligen Josef als bescheidenen und fleißigen älteren Mann. Vieles von dem Bild des Ziehvaters Jesu stammt nicht aus den Evangelien, sondern findet sich erst in späteren, apokryphen Quellen wie dem Protoevangelium des Jakobus. Aus ihnen speisten sich die Heiligenlegenden des Mittelalters. 

Vor allem in zwei Texten jener Zeit, die legendenhaft von Geburt und Kindheit Jesu erzählen, spielt Josef eine wichtige Rolle. „Die Kindheit Jesu“ nennt Konrad von Fußesbrunnen sein Werk aus dem ausgehenden zwölften Jahrhundert. Sie schildert Marias Verlobung mit Josef und erstreckt sich bis zur Jugend Jesu. Mit seinem Werk will der Autor der höfischen Gesellschaft die biblische Erzählung nahebringen.  

Ritterliche Tugenden

Die von ihm gezeichnete Josefsfigur entspricht der Idealvorstellung eines adeligen Mannes. Er erfüllt alle Kardinaltugenden: Tapferkeit, Klugheit, Mäßigung und Gerechtigkeit. So beweist er durch seine Rede bei der Verlobung mit Maria große geistige Kraft. Der wohlhabende Witwer erklärt sich rein aus Ritterlichkeit dazu bereit, Maria zu ehelichen. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Keuschheit der Jungfrau erhalten bleibt. 

Durch eine dramatisch gestaltete Klagerede über Marias vermeintlichen Ehebruch und die resultierende Schwangerschaft beweist Josef höfische Tugend und Sittlichkeit. Demut in gleichem Maße zeigt er dagegen, als er vom Engel die Wahrheit erfährt. Fortan steht er Maria mit bedingungsloser Treue zur Seite. Ritterlich achtet er sie als Dame von Stand: Für die Niederkunft holt er ihr die besten Hebammen der Stadt herbei. 

Reuiger Räuber

Später beweist Josef Klugheit und Weitsicht bei der Beschaffung von Nahrung: Er äußert berechtigte Zweifel, ob es wirklich nötig ist, dass der Diener für Maria Obst von den Palmbäumen in der Wüste pflückt, anstatt Wasser zu besorgen. Mannhaftigkeit beweist Josef sogar unter Angst und Tränen, als Straßenräuber ihn, Maria und ihr Kind als Sklaven verkaufen wollen. 

Josefs wortreich geäußerte, selbstlose Sorge um Mutter und Kind beeindruckt den Räuber, der nun Reue empfindet und sich gastlich zeigt. Nach der Heimkehr nach Nazareth erweist sich Josef als fleißiger Zimmermann und strenger, weiser Familienvater.

Im Detail ganz anders ist dagegen die Darstellung der Geburt und Kindheit Jesu im „Passional“, einer Sammlung von Heiligenlegenden eines namentlich nicht bekannten Angehörigen des Deutschen Ordens. Für das einfache Volk geschrieben, sollte dieses Werk die rechte Lehre vertreten und zu Frömmigkeit und Besserung aufrufen. Vom Verfasser wird der Bibeltext an entscheidenden Stellen fantastisch ausgeschmückt. 

Wie die „Kindheit“ beginnt das „Passional“ mit Josefs Verlobung. Anders als bei Fußesbrunnen ist Josef hier jedoch nicht weise, sondern vielmehr schüchtern. Er ist ein Mann, der sich ungern in den Vordergrund drängt. Er würde viel lieber im Hintergrund bleiben. Zwar ist Josef unverheiratet, doch hegt er keinerlei Wunsch, Maria zu heiraten. Er beugt sich aber gehorsam dem Wunsch Gottes. 

Auch als er von Marias Schwangerschaft erfährt, bewahrt Josef diese Haltung. Gefasst überlegt er im Stillen und vertraut dann bedingungslos der Botschaft des Engels. Liebevoll und fürsorglich nimmt er Maria wegen der Volkszählung mit in seine Heimat Bethlehem. Die Braut lässt er auf einem Esel reisen. Nach der Niederkunft steht Josef Maria trotz seines Alters und seiner Gebrechlichkeit bedingungslos zur Seite. 

So zeigt er sich gern bereit, Marias Wunsch nach Obst von einem Apfelbaum in der Wüste nachzukommen. Allein Alter und Schwäche hindern ihn. Vor Räubern zeigt sich seine Hilflosigkeit und körperliche Schwäche, mehr noch aber eine aus tiefstem Herzen kommende Angst und Sorge um Maria und ihr Kind. Diese sichtbare Menschlichkeit führt schließlich zum Erbarmen der Räuber. 

In Nazareth lebend zeigt sich Josef als fleißiger, aber armer Handwerker. Als Ernährer seiner kleinen Familie muss er in ärmlicher Umgebung schwere Arbeit leisten und den Reichen dienen. Als Vaterfigur ist Josef müde und alt und nur zu gern bereit, die anspruchsvolle Erziehung seines Ziehsohns Jesus an einen Klügeren abzugeben.

„Die Kindheit Jesu“ und das „Passional“ zeigen, wie im Mittelalter biblische Geschichte dem Publikum des jeweiligen Standes anhand einer Schlüsselfigur nahegebracht wurde. Die Josefsfigur bei Konrad von Fußesbrunnen weiß inmitten einer schillernden Welt als Idealfigur des adeligen Mannes durch Ritterlichkeit und Eleganz zu überzeugen.

Josef als einfacher Mann 

Der Josef im „Passional“ wirkt dagegen weniger fremd. Er lebt in einer ärmlichen, europäisch angehauchten Umgebung und ist ein einfacher Mann aus dem Volk. Das auffälligste Merkmal an ihm ist seine Menschlichkeit. Alt, ratlos und von der Arbeit und vom Leben gezeichnet, ist er als gewöhnlicher Mensch eine Kontrastfigur zu Maria. 

So ist Maria mutig und jung, Josef dagegen alt, schüchtern und ängstlich. Gleichzeitig bietet er das Idealbild des Gläubigen: Trotz seiner Schwachheit und aller Strapazen dient er stets voller Gottvertrauen und aus tiefster Überzeugung seinen Mitmenschen und damit Gott – nicht nur im Mittelalter ein Vorbild im Glauben.

Lydia Schwab

19.03.2018 - Heilige