25. Jahrestag des Oslo-Abkommens

Keine Alternative zum Dialog

Der Jude Hillel Schenker wurde 1942 in New York geboren und wanderte 1963 nach Israel aus. Die Teilnahme am Jom-Kippur-Krieg 1973 bezeichnet er als „Wendepunkt”. 1978 war er Mitgründer  der Friedensbewegung „Schalom Achschav“ (Frieden Jetzt). Seit 2002 geben er und der Palästinenser Ziad Abu Zayyad das Palestine-Israel Journal (PIJ) heraus. Anlässlich des 25. Jahrestags des Oslo-Abkommens gab der Journalist und Friedensaktivist unserer Zeitung ein Interview. 

Herr Schenker, wo waren Sie, als das erste Oslo-Abkommen in Wa­shington unterzeichnet wurde?  

Ich war mit meiner Familie in Sharm al-Scheich in der Sinaiwüste im Urlaub. Ich hatte wirklich das Gefühl, das ist ein entscheidender Durchbruch der israelisch-palästinensischen Beziehungen. Seit Mitte der 1980er Jahre war es Israelis gesetzlich verboten, direkt mit Vertretern der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO zu sprechen. Nun erfuhren wir, dass es in Oslo Geheimgespräche gegeben hatte. Das hatte die gegenseitige Anerkennung zwischen der israelischen Regierung unter Jitzchak Rabin und Schimon Peres und der von Jassir Arafat geführten PLO zur Folge. Dafür hatten meine Freunde und Kollegen seit vielen Jahren gearbeitet. 

Was fühlten Sie?

Ich war der Meinung, dass wir nun auf dem Weg waren, den Konflikt zu lösen. Nichts würde das aufhalten. 

Seitdem sind 25 Jahre vergangen …

Die Skeptiker, die es damals auch gab, haben leider Recht behalten. Bestimmte Punkte wie etwa die Menschenrechte auszusparen und für die fünfjährige Übergangsphase aufzuheben, war ein Fehler und gab den Gegnern des Abkommens Zeit, dieses zu unterhöhlen. 

Was meinen Sie damit?

1994 tötete ein rechtsgerichteter Siedler, Baruch Goldstein, 29 Palästinenser in der Moschee in Hebron. Die Hamas verübte daraufhin schreckliche Selbstmordbombenattentate gegen israe­lische Zivilisten. Dann kam der verhängnisvolle 4. November 1995, als Yigal Amir aus dem rechten Lager Premierminister Rabin in der Absicht ermordete, den Friedensprozess zu beenden. Rückblickend hatte er damit Erfolg. Er zerstörte die Führung, die willens und fähig gewesen wäre, den Prozess voranzubringen. 

Dann kam die zweite Intifada … 

… die viel heftiger, gewaltsamer war als die erste. Das führte zu einem Vertrauensverlust auf beiden Seiten. All die Mensch-zu-Mensch-Kontakte, die sich zwischen 1993 und 1999 entwickelt hatten, wurden beendet. Aufgrund der Selbstmordattentate beschloss man, die Trennbarriere zwischen Israel und dem West-Jordanland zu bauen.

Von Friedensprozess kann derzeit keine Rede sein. Woher nehmen Sie die Kraft, sich weiterhin für Dialog einzusetzen?

Es gibt keine Alternative. Es ist ein existenzielles Bedürfnis bei Israelis und Palästinenser, eine Lösung zu suchen, um unserer zukünftigen Generationen, unserer Kinder und Enkel, willen. Meine Arbeit bei der einzigen israelisch-palästinensischen Publikation heißt: Ich bin an der Front, wo man nach Lösungen sucht. Ich bin aktiv und ergreife die Initiative. Gemeinsam mit israelischen und palästinensischen Kollegen versuchen wir, die Lage zu verstehen, Strategien zu entwickeln und Antworten zu finden auf die Frage, wie wir die derzeitige Sackgasse verlassen und vorwärtskommen können. Genau diese Aktivität verleiht mir Energie. Außerdem bin ich ja nicht allein. Bei PIJ sind wir 15 israelische und 15 palästinensische Kollegen im Redaktionsrat. 

Woher erwächst Hoffnung?

Im November gibt es Zwischenwahlen in den Vereinigten Staaten. Da besteht die ernsthafte Hoffnung, dass die Demokraten die Mehrheit im Kongress und vielleicht auch im Senat erringen. Das wäre eine Botschaft des Politikwechsels an Donald Trump, an Premier Benjamin Netan­yahu sowie an die Staatengemeinschaft. Das hieße auch: ein Ende des Blankoschecks für den Siedlungsbau. 

Was wünschen Sie sich von den Deutschen?

Habt keine Angst, euch stärker bei der Konfliktlösung zu engagieren! Vielleicht habt ihr alle möglichen Bedenken. Um unseretwillen rufen wir israelische und palästinensische Friedensaktivisten euch auf, euch einzumischen. Ihr müsst aktiver werden, euch der Besatzung und dem Siedlungsbau zu widersetzen. Helft, dass Wege gefunden werden, damit Israelis und Palästinenser vorwärtskommen. Wir wollen eure Beteiligung.

Interview: Johannes Zang

12.09.2018 - Hintergrund , Nahost