Sie waren einst die „Popstars“ der Opernhäuser und Aushängeschilder der kirchlichen Chöre: Kastraten. Auch der Vatikan griff auf die kastrierten Männer mit den hohen Stimmen zurück – denn Frauen waren in kirchlichen Chören verpönt. Mit dem Priester und Komponisten Lorenzo Perosi kam das Kastratentum an sein Ende. Am 21. Dezember jährt sich sein Geburtstag zum 150. Mal.
„Hostias Et Preces“ von Eugenio Terziani und das weltbekannte „Ave Maria“ sind die einzigen Tonaufnahmen von einem Kastraten, die heute noch existieren. Sie stammen von dem 1858 geborenen Italiener Alessandro Moreschi und wurden 1902 und 1904 von der englisch-amerikanischen „Gramophone Company“ aufgenommen. Der entmannte Sänger war der letzte Kastrat, der im Vatikan eine Anstellung fand.
Offiziell war die menschliche Kastration da schon länger verboten. Kirchenrechtlich war sie sogar mit der Exkommunikation belegt. Eltern betroffener Kinder rechtfertigten sich daher zumeist mit abenteuerlichen Aussagen über angebliche Unfälle beim Spielen, wodurch eine Hodenoperation nötig gewesen sei. Moreschis Kastration wurde wohl im Alter von sieben bis neun Jahren vorgenommen.
Vor dem Stimmbruch
Wollte man gesangsbegabte Jungen zu Kastraten-Sängern heranziehen, musste die Hodenentfernung vor dem Stimmbruch erfolgen. Für Moreschi folgten harte Lehrjahre an seiner Sopranstimme. Sein Durchbruch kam mit der Aufführung von Beethovens Oratorium „Christus am Ölberg“. Seine Darbietung machte ihn stadtbekannt. Fortan nannte man ihn „Engel von Rom“.
Als Nachfolger des Kastraten Evangelista Bocchini übernahm Moreschi 1891 die Sopranstimme in der Cappella Sistina, dem Chor der Sixtinischen Kapelle. Auch für die Cappella Giulia des Petersdoms und im Chor der Lateranbasilika sang er. Unter Domenico Mustafà, dem ebenfalls kastrierten Leiter der Sistina, stieg Moreschi zum „maestro pro tempore“ auf. Nun durfte er bei der Auswahl von Solisten und Werken mitentscheiden.
Dies änderte sich im Dezember 1898, als Lorenzo Perosi zum Leiter der Sistina ernannt wurde. Er hatte auch in Regensburg bei Domkapellmeister Franz Xaver Haberl studiert und kannte sich hervorragend in den klösterlichen Gesängen der deutschen Lande aus. Aus moralischen humanitären Gründen fühlte er sich dazu verpflichtet, das Kastratentum zu bekämpfen. Moreschi konnte dennoch seine Anstellung aufrechterhalten – wohl auch wegen seiner Kontakte zum italienischen Königshaus.
Knaben statt Kastraten
1902 setzte Perosi bei Papst Leo XIII. das Ende der Berufung von Kastraten durch. Der aus dem Piemont stammende Perosi hatte engsten Kontakt zu Leo, der ihn schließlich auf Lebenszeit zum Leiter der Sistina ernannte. Dessen Nachfolger Pius X., ebenfalls ein Freund Perosis, unterstrich 1903 im Motu Proprio über die Kirchenmusik („Tra le sollecitudini“), dass die hohen Stimmlagen fortan von Knaben und nicht mehr von Kastraten gesungen werden sollten.