Bethlehem

Mosaike wecken neues Leben

Die Geburtsbasilika in Bethlehem aus dem vierten Jahrhundert gilt als einzige Kirche im Heiligen Land, die von den verschiedenen Wellen der Zerstörung verschont geblieben ist. Ihre 900 Jahre alten Mosaike an den Wänden sprechen eine beredte Sprache. Deshalb kommt es nicht von ungefähr, dass gerade in dieser Stadt jetzt ein neues Mosaikzentrum entstanden ist.

Mit seinem Ausbildungsprogramm will das Zentrum zur Stärkung des künstlerischen und kulturellen Erbes der Stadt beitragen. Pater Francesco Patton, der Kustos des Heiligen Landes, meint dazu: „Die Mosaike in der Geburtskirche besitzen einen ganz besonderen Wert, weil sie zur Tradition, Geschichte und Kultur dieses Landes gehören. Papst Johannes Paul II. bezeichnete sie als einen ‚Weg der Schönheit‘. In der Tat ist ein Mosaik ein Symbol dafür, wie wir Menschen zusammenleben können: Viele verschiedene Steinchen, viele verschiedene Farben fügen sich dank der Hände des Künstlers zu einem harmonischen Bild zusammen.“ 

Marco Segatta, Präsident der Kunst-Handwerker aus Trient, betont bei der Einweihungsfeier: „Die berufliche Ausbildung ist sehr wichtig für die Entwicklung eines Menschen. Von daher gesehen haben junge Leute in Bethlehem mehr Möglichkeiten, Arbeit zu finden und an der soziale Entwicklung ihres Landes mitzuwirken.“ 

Unter den Kursteilnehmern befindet sich die junge Muslimin Fatima. Sie ist sich bewusst, wie schwierig es ist, diese Kunst professionell zu beherrschen. „Natürlich stehe ich noch am Anfang. Ich werde in den kommenden Monaten viel zu lernen haben. Wer weiß, ob ich mit diesem Zukunftsprojekt zusammen mit meinem Mann eines Tages typische Mosaik-Produkte herstellen werde und wir vielleicht sogar ein Geschäft eröffnen können!“

Auch Haady ist zuversichtlich. Jeden Tag versucht er, seinen neuen Schülern die Techniken und die Geschichte des Mosaiks beizubringen: „Der Kurs ist eine großartige Gelegenheit. Ich freue mich, mit meiner Erfahrung auf diesem Gebiet helfen zu können. Das Mosaikzentrum in Bethlehem möge jungen Menschen Möglichkeiten bieten, das Bewusstsein für unser künstlerisches und kulturelles Erbe zu stärken.“

Natürlich verfolgen die jungen angehenden Mosaisten mit großem Interesse die Restaurationen der Mosaike in der Geburtsbasilika, wie unter dem Staub der Jahrhunderte diese ehrwürdige Kirche zu neuem Leben erwacht. 

Die Kirche wird von den Franziskanern, den Griechisch-Orthodoxen und Armeniern gemäß dem Status Quo verwaltet. Dieser geht auf ein Abkommen von 1852 zurück, das die Teilung des Eigentums festgeschrieben hat. Auch wenn die Beziehungen zwischen den Kirchen nicht immer leicht waren, so sind sie in den letzten zehn Jahren nach und nach stärker geworden. Dazu kam, dass die jahrhundertealten Dachbalken morsch waren und die Bleidecke einzustürzen drohte.

Die Sicherheit der jährlich 1,5 Millionen Besucher war ernsthaft gefährdet. Durch Wasser-Einsickerungen machte das Gotteshaus einen geradezu düsteren und vernachlässigten Eindruck. Schließlich brachte ein Machtwort von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas die drei Kircheneigner dazu, endlich einer Restaurierung zuzustimmen. Hinzu kam, dass Palästina 2011 von der Weltkulturorganisation Unesco anerkannt wurde und acht Monate später Bethlehem auf der Liste des Weltkulturerbes stand. 

Weg mit dem Ruß

Die Restaurations-Arbeit bestand vor allem darin, Schichten von jahrhundertealtem Ruß und Schmutz zu entfernen. Der Kerzenrauch hatte die einstige Farbenpracht der Kirche in ein dunkles Einheitsgrau verwandelt. Inzwischen sind etwa 1,55 Millionen winzige Mosaiksteine überprüft und restauriert. Giammarco Piacenti, der Chef des Piacenti Restauration Centers, ist davon überzeugt, dass diese Restauration für alle Christen von großer Wichtigkeit ist.

Bestehend aus Stein, Perlmutt, Glas und Blattgold stellen die Mosaiken verschiedene Szenen aus dem Leben Jesu und der Kirche dar, einschließlich der Himmelfahrt und des Einzugs in Jerusalem auf einem Esel und der Begegnung des auferstandenen Christus mit dem ungläubigen Thomas, der seine Hand in Jesu Seitenwunde legt. Daneben stehen die Jahreszahl 1155 und die Namen Ephraim und Basilius. Vermutlich die Künstler, die das Werk geschaffen haben. 

Im Mittelschiff der Basilika befindet sich rechts eine Darstellung des Stammbaums Jesu nach dem Matthäus-Evangelium. In den Bändern darüber sind rechts die ersten sieben Ökumenischen Konzilien dargestellt und links sechs Synoden. Diese hatten versucht, den theologischen Streit um Arius beizulegen. In allen Darstellungen erkennt man das Evangeliar auf einem Lesepult. Darüber der Text mit den wesentlichen Aussagen der Kirchenversammlung.

Einen besonderen Moment erlebten die Restauratoren, als sie den Verputz von der Wand wegräumten und plötzlich einen siebten goldenen Engel zu den schon sechs existierenden Gottesboten entdeckten. Ihre Arme führen die Pilger richtungsweisend zu der Grotte, in der Maria Jesus geboren hat. Während der Türkenherrschaft wurden die Gesichter der Engel durch Schüsse in die Nase entstellt. „Die Restauration gab ihnen ein zweites Leben“, sagt Piacenti mit einem Lächeln.

Das italienische Team hat die Arbeiten so gut wie abgeschlossen. Doch die vollständige Enthüllung der Mosaiken erfolgt erst, wenn die Arbeiten für Beleuchtungs- und Brandmeldeanlagen 2019 abgeschlossen sind. Sobald die notwendigen finanziellen Mittel vorliegen, soll das nächste Projekt ins Auge gefasst werden: die Restaurierung der 50 Säulen der Basilika, von denen 32 mit Heiligenfiguren aus der Kreuzfahrerzeit bemalt sind, sowie die Restaurierung des Kirchen-Fußbodens und der darunter liegenden Mosaiken aus dem vierten Jahrhundert. 

Die frühere Tourismusministerin Khouloud Daibes, die als Christin inzwischen für die Palästinenser-Vertretung in Berlin verantwortlich ist, blickt voller Freude und Stolz auf das Projekt: „Die Geburtskirche besitzt einen spirituellen Wert für alle Gläubigen. Jetzt aber kommt auch noch ein künstlerischer Wert hinzu. Während überall in der Region, vor allem aus Syrien und dem Irak, Christen fliehen müssen, ist es ein positives Zeichen, dass hier von Christen und Muslimen gemeinsam eine Kirche restauriert wird, die eine sehr wichtige Kulturstätte der ganzen Menschheit ist.“

Karl-Heinz Fleckenstein

05.07.2018 - Hintergrund , Kunst , Nahost