1991 erschütterten fremdenfeindliche Ausschreitungen in der sächsischen Stadt Hoyerswerda ganz Deutschland. Sie richteten sich zunächst gegen vietnamesische Markthändler, dann gegen Vertragsarbeiter aus Mosambik und Asylbewerber. Mehrere Dutzend Menschen wurden zwischen dem 17. und 23. September 1991 verletzt. Friedhart Vogel war damals Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Hoyerswerda. Auf der Straße versuchte er zu vermitteln. Im Interview erinnert sich der 80-Jährige an die Ereignisse.
Herr Vogel, 30 Jahre liegt die fremdenfeindliche Gewalt jetzt zurück. Ist es richtig, mehr denn je an die Opfer zu erinnern?
Unbedingt. Es ist wichtig, dass ihre Stimme gehört wird. Es ist wichtig, an jene zu erinnern, die damals litten, zu Schaden kamen und notgedrungen Hoyerswerda verlassen mussten.
Die Ausschreitungen begannen am 17. September. Angetrunkene Skinheads griffen vietnamesische Markthändler an. Welche Erinnerungen haben Sie daran?
Gar keine. Erst Mitte der Woche erfuhr ich davon. Zeitung, Radio und Fernsehen berichteten nicht sofort. Ich selbst erfuhr erst durch einen Anruf des damaligen Neustadt-Pfarrers Matthias Loyal von den Ausschreitungen. Mit den Vertragsarbeitern hatte ich zunächst gar nicht zu tun, sondern vor allem mit den Asylbewerbern in der Thomas-Müntzer-Straße.
Was ereignete sich dort?
Am 19. September zum Beispiel fuhr eine Moped-Besatzung aus Richtung Cottbus die Thomas-Müntzer-Straße von oben nach unten und zurück. Dabei schoss der Soziusfahrer mehrmals mit einer Schreckschuss-Pistole. Das war wie ein Stich ins Wespennest. Die Polizei war in Bereitschaft im Großen Garten in Dresden. Sie erhielt jedoch die Nachricht: „Nicht ausrücken. In Hoyerswerda ist alles ruhig.“ Das war eine fatale Fehleinschätzung.
Was folgte daraufhin?
Erst am 20. September gegen Mittag trafen mehrere Hundertschaften Polizei in Hoyerswerda ein. Schwer ausgerüstet. Mit Technik. Doch da hatte sich die Situation schon zugespitzt.
Wie erlebten Sie die Situation?
Es war eine aufgeheizte, sehr explosive Stimmung. Auf der Straße versuchte ich zu vermitteln. Doch dort begegneten mir nur frustrierte, hasserfüllte Menschen. Auf der Straße waren sogar Familienväter mit Kindern. Sie meinten: „Das ist viel spannender als im Fernsehen.“