In Zeiten von Flüchtlingskrise und Rechtspopulismus ist das Thema Freiheit in Deutschland vielleicht wichtiger denn je. Das Kulturprogramm zum Augsburger Hohen Friedensfest hat „Freiheit“ in diesem Jahr als Kernthema. Dazu hat die Stadt vom 24. Juli bis zu dem bundesweit einzigartigen Feiertag am 8. August an rund 40 Orten etwa 75 Veranstaltungen geplant. Bundespräsident a. D. Joachim Gauck war bei der Eröffnung des Kulturprogramms dabei. Im Exklusiv-Interview unserer Zeitung spricht der 79-Jährige über die Grenzen der Freiheit, Rechtspopulismus und Toleranz.
Herr Gauck, was hat Sie bewogen, beim diesjährigen Augsburger Friedensfest mitzuwirken?
Die Einladung des Oberbürgermeisters der Stadt Augsburg, Kurt Gribl, das Kulturprogramm des Hohen Friedensfestes 2019 zu eröffnen, habe ich aus mehreren Gründen mit Freude angenommen. Zum einen sind mir der thematische Schwerpunkt „Freiheit und Verantwortung“ und die Frage, wie wir unsere Gemeinschaft gestalten können, sehr nahe. Eine Frage, mit der sich Menschen seit Jahrhunderten befassen und die auch eng mit der Geschichte der Stadt des Religionsfriedens verwoben ist.
Zum anderen komme ich gerne in diese Region, nicht nur wegen der schönen Landschaft Schwabens, sondern weil ich mich der hiesigen Universität und den vielen Menschen, die engagiert Verantwortung für sich und andere übernehmen, verbunden fühle.
Augsburg – Sie sagten es – ist die Stadt des Religionsfriedens, des Friedens zwischen Katholiken und (lutherischen) Protestanten. Wie bewerten Sie als evangelischer Pfarrer den Stand der Ökumene?
Der Religionsfrieden von Augsburg war ja leider ein sehr brüchiger Frieden und mündete zunächst im Dreißigjährigen Krieg. In den vergangenen fünf Jahrhunderten gab es viel Leid und Blutvergießen, bis sich die beiden großen christlichen Kirchen zumindest gegenseitig tolerieren konnten. Wir sind inzwischen viele Schritte aufeinander zugegangen. Zum Glück gibt es seit Jahrzehnten die ökumenische Bewegung, auch wenn der Weg zur Einheit der Christen noch weit ist. Einstweilen gehen wir den Weg der Nachfolge auf verschiedenen Pfaden in wachsender geschwisterlicher Eintracht – und jeder weiß hoffentlich, dass seine Erkenntnis nur ein Teil der Summe ist.
Das Augsburger Friedensfest befasst sich in diesem Jahr mit dem Thema Freiheit. Eine Demokratie ohne Freiheit ist keine Demokratie. Sie muss die Freiheit bisweilen aber auch begrenzen. Wo sind für Sie die Grenzen der Freiheit?
Die Grenzen der Freiheit sind dort, wo das Recht gebrochen und die Freiheit und Menschenwürde Anderer bedroht werden. Es muss also auch in einer liberalen Demokratie ein deutliches Stoppschild für diejenigen geben, die die Freiheit der Anderen nicht achten, die intolerant sind.
Zur entschiedenen Intoleranz gegenüber den Intoleranten gehört aber auch die Toleranz gegenüber denjenigen, die eine andere Meinung, Religion oder Weltanschauung haben. Ohne Toleranz würde das Zusammenleben der Verschiedenen nicht gelingen, die Gesellschaft würde verrohen. Dabei dürfen wir die Toleranz nicht mit Gleichgültigkeit oder Indifferenz verwechseln. Aufrichtige Toleranz kann zuweilen eine wahre Zumutung sein.