Straße der Romanik durch Sachsen-Anhalt

Steinerne Zeugen des Glaubens

Meterdicke Mauern, trutzige Türme und schlichte Rundbögen sind die Merkmale der Romanik. In diesem strengen, kraftvollen Stil wurden spätestens ab dem Jahr 1000  Burgen, Klöster und Kirchen errichtet. In Sachsen-Anhalt haben zahlreiche Bauten die Zeiten zumindest teilweise überdauert: Manch alte Krypta ist noch komplett erhalten, anderes konnte teilweise gerettet werden

1993 wurde die mehr als 1000 Kilometer lange „Straße der Romanik“ gegründet, die 73 Orte mit 88 Bauwerken verbindet. Ein  Erfolgsprojekt, kommen doch jährlich eineinhalb Millionen Besucher. 2018 begeht sie ihr 25. Jubiläum. Sonderausstellungen machen diese steinerne Glaubens- und Baugeschichte wieder lebendig.

Bei vielen Bauten wird auch der Übergang von der Romanik zur Gotik deutlich. So beim Naumburger Dom und vor allem – nach 202 Stufen – beim Blick vom Turm der nahen St. Wenzelskirche. Vorne ragen die gedrungenen romanischen Türme des Ostchors empor, dahinter die frühgotischen Türme des Westchors. Alles in allem ein romanisch-gotisches Meisterwerk.

Der Naumburger Dom ist der Magnet auf der „Straße der Romanik“. Rund 130 000 Gäste besuchen ihn jährlich, insbesondere wegen der Uta, der weltbekannten Stifterfigur. Die steht oben im Westchor neben ihrem Gatten Ekkehard. Alle der insgesamt zwölf Stifter und Stifterinnen wurden – etwa 200 Jahre nach ihrem Tod – in Lebensgröße und lebensecht vom „Naumburger Meister“ gestaltet.   

Sein wahrer Name ist unbekannt. Vermutlich hatte er seine Kenntnisse beim Bau der gotischen Kathedralen in Frankreich erworben. Jedenfalls gilt dieser frühgotische Westchor zusammen mit dem Lettner und den Stifterfiguren als einmaliges Gesamtkunstwerk. Groß ist die Hoffnung, dass die Unesco bei ihren Beratungen in diesem Sommer den Naumburger Dom zum Weltkultur­erbe erklärt. Auch andere Gründe sprechen dafür, so die frühromanische Krypta aus der um 1040 fertiggestellten Vorgängerkirche, die in den neuen Dom integriert wurde. 

Auf Elisabeths Spuren

Ein Ort der Stille ist auch die Elisabethkapelle. Dort ist die wohl älteste bildliche Darstellung der Heiligen zu sehen. Eine Steinskulptur zeigt sie gekleidet als Landgräfin von Thüringen. Im Jahr 2007, zu ihrem 800. Geburtstag, entwarf der Leipziger Künstler Neo Rauch drei leuchtend rote Fenster mit Szenen aus ihrem kurzen Leben (1207 bis 1231). 

Elisabeths Spuren sind auch auf der romanischen Neuenburg – jetzt ein Museum – zu finden. Urkundlich belegt ist der Aufenthalt des Landgrafenpaars Ludwig IV. und Elisabeth in den Jahren 1224/25. Sicherlich hat die Heilige dort oft die um 1175 erbaute Doppelkapelle besucht. Unten betete das Volk, darüber der Landgraf mit den Seinen. Eine Öffnung in der Decke beziehungsweise im Boden sorgte für das akustische Miteinander. Ludwig IV. und Elisabeth ließen den oberen Teil ab 1220 mit kunstvollen Kapitellen und Zackenbögen verfeinern. Gerne heiraten heutzutage Hochzeitspaare in diesem architektonischen Juwel.

Dies alles sehen zu können, ist keineswegs selbstverständlich. „Durch die Schließung der Burg von 1970 bis 1989 durch die DDR-Regierung erlitt sie existenzgefährdende Schäden“, berichtet Museumsdirektor Jörg Peukert. Nach der Wende erstürmten engagierte Bürger die abgesperrte Burg, gingen ans Werk und wurden die ersten Retter.

Das geistige Zentrum war jedoch Kloster und Kaiserpfalz Memleben. König Heinrich und sein Sohn Kaiser Otto I., der Große, hielten sich im zehnten Jahrhundert mehrmals dort auf. Sonderbarerweise starben auch beide in Memleben: Heinrich im Jahr 936, Otto 973. 

Eingedenk dessen stiftete Kaiser Otto II. mit seiner Frau Theophanu im Jahr 979 in Memleben ein Benediktinerkloster, bald ein machtvoller Ort der Glaubens- und Wissensvermittlung sowie der wirtschaftlichen Entwicklung der Region. Von einstiger Großartigkeit künden noch die Säulengänge einer früheren Monumentalkirche. Ein Kleinod ist auch die originale spätromanische Krypta.  

Im Kloster Memleben wurden die kaiserlichen Verordnungen und Gesetze geschrieben, konnten doch die Herrscher zu jener Zeit zumeist weder lesen noch schreiben. Passend dazu trägt die noch bis zum 15. Oktober laufende Sonderausstellung den Titel „Wissen und Macht. Der heilige Benedikt und die Ottonen“. Einige der 60 wertvollen Exponate und Leihgaben werden erstmals der Öffentlichkeit gezeigt, so die Beweinung Christi, geschaffen um 1500, die die Zerstörung des Klosters in Memlebens Dorfkirche überdauerte. 

„Thietmars Welt“

Mehr als 1000 Jahre Geschichte verbergen sich auch im Dom zu Merseburg. Kaiser Otto I. gründete 968 das Bistum Merseburg. Den Grundstein für die Kathedrale legte 1015 Bischof Thietmar. Aufgrund seiner vielen kurzen Aufzeichnungen wird er inzwischen als einer der wichtigsten Schreiber des frühen Mittelalters bezeichnet. „Thietmars Welt, ein Merseburger Bischof schreibt Geschichte“, heißt die Ausstellung, die vom 15. Juli bis 4. November zu sehen ist. 

Dass 25 Jahre „Straße der Romanik“ in geretteten Bauwerken gefeiert werden kann, ist auch den Bürgern und Gemeinden zu verdanken. Besonders viel Mut und Arbeitskraft investierten die Bürger von Zscheiplitz für die Bonifatius-Klosterkirche, erbaut im elften und zwölften Jahrhundert. „Die Rettung des gefährdeten Gebäudes begann 1985 durch die Interessengemeinschaft zur Erhaltung der Klosterkirche“, erzählt Joachim Götze (68), Vorstandsmitglied im Verein „Kloster Zscheiplitz-Klosterbrüder“. 13 Männer, er inklusive, schufteten jahrelang und leisteten mehr als 6000 Arbeitsstunden. 

„Wir haben alles mit eigenen Händen geschaffen, das Geld kam später“, betont er. Götze war offenbar ein geschickter Verhandler und präsentierte den zuständigen DDR-Behörden das Vorhaben nicht als Kirchenerhalt, sondern als Rettung eines Baudenkmals. Das überzeugte, und dafür gab es dann fünf DDR-Mark pro Arbeitsstunde. 1989 waren das Dach und der Turm saniert. 

Nach der Wende streckte Götze erneut seine Fühler aus und führte Horst Rehberger, damals Sachsen-Anhalts Minister für Wirtschaft und Technologie, durch das Gottes­haus, was 150 000 D-Mark als Unterstützung zur Folge hatte. Am 13. November 1994 wurde die Kirche bei einem feierlichen Gottesdienst wieder geweiht. Sie zeigt sich nun in schlichter romanischer Schönheit. Seit 2017 gehört sie zur „Straße der Romanik“. 

Ursula Wiegand

17.06.2018 - Deutschland , Kunst , Magazin