Kommentar

Wenn die Frist das Leben frisst

Die Interessenvertretung der Caritas-Mitarbeiter fordert von der Bundesregierung gesetzliche Einschränkungen für befristete Arbeitsverträge. Vor allem will sie, dass die Möglichkeit einer sachgrundlosen Befristung – das heißt, dass der Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis ohne Begründung befristen darf –ausnahmslos gestrichen wird.  

Das Anliegen der Caritas ist mehr als berechtigt. „Erstmal auf ein Jahr befristet“ sagen viele Arbeitnehmer, die gerade eine neue Stelle angetreten haben. Manchmal sind es auch zwei Jahre. Die Unsicherheit, die in diesen Worten steckt, ist meist auch in der Stimme solch befristet Beschäftigter herauszuhören. Sie kommen aus allen Bereichen. Betroffen sind häufig Berufseinsteiger, Geringverdiener, aber auch Angestellte in Krankenhäusern und Schulen. Sogar Beschäftigte in Unternehmen mit stabilen Einnahmen wie Ministerien erhalten oft Verträge mit begrenzter Laufzeit. Für viele Arbeitnehmer beginnt nach der Frist gleich die nächste Frist. Und danach die nächste ...

Und was bringt das? Während Betriebe sich so nicht festlegen müssen, können ihre Beschäftigten es erst gar nicht. Bei keiner Entscheidung im Leben. Denn wie kann ein befristet Angestellter sich etwa für eine Eigentumswohnung in einer bestimmten Stadt entscheiden, wenn er nicht weiß, ob er morgen nicht in einer ganz anderen arbeitet? Welche Bank gibt ihm einen Kredit, welcher Vermieter Wohnraum, wenn es unsicher ist, ob er morgen noch genug Geld verdient? Und nicht zuletzt: Wie kann er eine Familie, neues Leben, planen, wenn es ihm schon beim eigenen Leben unmöglich gemacht wird? 

Es wird Zeit, dass die Politik durch entsprechende Gesetze Unternehmen aus der Bequemlichkeit rüttelt, damit sie bieten, was sie sich von den Angestellten und für ihr Unternehmen wünschen: Entscheidungsfreudigkeit, Planbarkeit und existenzielle Sicherheit. Das ständige Kommen und Gehen am Arbeitsplatz lässt Menschen nicht ankommen. Weder bei sich selbst, noch im eigenen Leben – und auch nicht im Unternehmen.

Lydia Schwab

28.01.2020 - Deutschland , Job , Politik