Im Fallen hat der heilige Bonifatius schon Bischofsstab und -mütze verloren. Er stützt sich noch auf seine wichtigste Waffe: die Bibel. So wird der Tod des „Apostels der Deutschen“ bei einem Angriff der Friesen nahe Dokkum im Jahr 754 an seinem Grab in der Krypta des Fuldaer Doms dargestellt. Der Missionar aus Südwest-England, der eigentlich Winfried hieß, wollte in Fulda begraben werden. Denn hier hatte er sein Lieblingskloster gegründet – und zwar vor genau 1275 Jahren. Die Stadt hat kein eigenes Gründungsdatum und feiert das Jubiläum daher umso freudiger.
Den Wunsch des schon über 70-Jährigen, ein Kloster zu gründen, erfüllte damals der junge Mönch Sturmius, der aus der Gegend von Freising stammte. Am 12. März 744 errichtete er das Kreuz, das den Standort des Klosters markierte.
Bonifatius hatte den öde und einsam gelegenen Ort mitten im Wald mit Bedacht gewählt: Er befand sich an der Wegkreuzung zwischen seinem Bischofssitz Mainz und den Bistümern Erfurt und Würzburg, die er in reformatorischer Absicht gegründet hatte. Nordöstlich führte der Weg nach Sachsen, dessen heidnischen Bewohnern er das Evangelium bringen wollte.
Heiden zu taufen war Bonifatius’ ursprünglicher Antrieb, nach Germanien zu kommen, hauptsächlich in die vom römischen Reich noch nicht erfassten Gebiete. Aber auch da, wo es schon kirchliche Strukturen gab, hatte er viel zu tun: Die Priester konnten kein Latein, spendeten die Sakramente falsch oder trieben germanische Riten weiter.
Sein Musterkloster in Fulda nach der Regel des heiligen Benedikt sollte den wahren Glauben durchsetzen helfen. Bonifatius war als päpstlicher Legat ausgewiesen. Die kirchliche Einheit im Frankenreich entsprach auch den Interessen der Karolinger. In gewissem Sinn war er ein Vorreiter der europäischen Einigung. Er stieß teilweise auf heftigen Widerstand. Ihm kam es deshalb darauf an, dass das Kloster Fulda nur Papst und Kaiser unterstand. Heute versammeln sich die deutschen Bischöfe jeweils zur jährlichen Herbstkonferenz am Grab des Bonifatius.
650 Mönche im Kloster
Vermutlich um sein Lebenswerk zu sichern, zog er 80-jährig noch einmal nach Friesland. Dort fand er den Märtyrertod. Die Überführung seines Leichnams erregte im ganzen Land Aufsehen. Der Ruf des Klosters Fulda als Hort christlicher Lehre sowie von Kultur und Bildung drang bis in die letzten Winkel des Frankenreichs. Die Fuldaer Bibliothek umfasste schließlich fast 2000 Handschriften – neben kirchlicher Literatur auch zentrale antike Schriften und germanische Heldenlieder. Um 800 lebten und arbeiteten hier bereits 650 Ordensmänner.