Matthäus, Markus und Lukas berichten davon, wie Jesus mit dem Boot über den See Genezareth ans andere Ufer übersetzte. Dort traf er auf einen Besessenen. Dieser lebte in einer Grabhöhle und war so wild, dass ihn nicht einmal Ketten halten konnten. Jesus sah, dass er von bösen Geistern geplagt wurde und trieb sie ihm aus. Mt 8,28, Mk 5,1 und Lk 8,26 schildern, wie die Dämonen in eine Schweineherde fuhren, die in der Nähe graste. Die Tiere galoppierten den Abhang hinunter, stürzten in den See und ertranken.
Je nachdem, welche Erzählung man zugrunde legt, fand diese Begebenheit im Land der Gadarener, im Gebiet von Gerasa oder in dem der Gerasener statt. Lässt sich trotz dieser textlichen Unterschiede der Ort des Wunders bestimmen? Dazu müssen zwei Fragen beantwortet werden: Wo liegt der Ort und an welche Stätte haben die ersten Christen das Wunder gebunden?
Heidnische Götzendienste
Im hebräischen Talmud aus der Mitte des ersten Jahrhunderts werden eine Stadt Kurshi und ein Gelehrter Jacob Ben Kurshi erwähnt. Ein anderer Talmudtext listet Städte mit heidnischen Götzendiensten auf und schließt Kursi in der griechisch besiedelten Dekapolis als nichtjüdische Stadt ein. Das passt zu den biblischen Berichten, denn die Schweinehaltung deutet auf Nichtjuden hin: Das Essen von Schweinefleisch ist für Juden verboten.
Später lokalisierten byzantinische Mönche die Stätte des Wunders von der Heilung des besessenen Mannes in eben jenem Kursi und errichteten dort ein Kloster und eine Kirche. Da es sich um einen bedeutenden Wallfahrtsort handelte, wurden mehrere Gebäude für die Unterbringung von Pilgern sowie für die monastische Gemeinschaft errichtet. Sie waren durch eine Mauer geschützt.
614 zerstörten die Perser während ihrer Invasion die Klosteranlage und ermordeten die Mönche. Bei Ausgrabungen fanden die Archäologen in der Tat persische Waffen. Das Kloster wurde später wieder aufgebaut, bis es nach einem Erdbeben 749 völlig aufgegeben wurde. Kursi lag stumm und verlassen da. Der nahegelegene Fluss brachte Schlamm und Steine, die den Hafen bedeckten. Schilf wuchs mehrere Fuß hoch. Brombeeren bedeckten den Boden, das Wasser zog sich zurück.
1969 wurde drei Kilometer nördlich des Kibbuz Ein Gev entlang des Ostufers des Sees Genezareth eine Straße angelegt. Kibbuz-Mitglied Mendel Nun, ein begeisterter Hobby-Archäologe, folgte auf seinem Fahrrad einem der Bulldozer. Plötzlich entdeckte er, dass die aufgeschüttete Erde für das Straßenbett mit Bruchstücken aus byzantinischer Keramik und Bausteinen vermischt war. Auch Mauerreste ragten aus dem Schutt hervor.
Mendel Nun meldete seine Beobachtung der Denkmalbehörde. Das Straßenbau-Projekt wurde gestoppt. Zwischen 1971 und 1974 fanden die ersten offiziellen Ausgrabungen unter der Leitung des israelischen Archäologen Dan Urman und seines griechischen Kollegen Vassilios Tzaferis statt. Dabei wurde der größte byzantinische Klosterkomplex freigelegt, der je in Israel gefunden wurde.
Bei weiteren Untersuchungen entdeckten Taucher einen uralten Ankerplatz aus schwarzen Basaltsteinen mit einer Länge von etwa 100 Metern und einer Breite von 25 Metern. Ein Wellenbrecher ragte aus dem Ufer heraus. 1980 wurde das gesamte Gelände in einen Nationalpark umgestaltet. Heute berechtigen die Ausgrabungsergebnisse zu der Annahme, dass das im Neuen Testament beschriebene Land der Gadarener geografisch mit Kursi gleichzusetzen ist.
Für Petrus und die anderen Jünger Jesu wäre dies „die andere Seite“ des Sees gewesen, die Mt 8,28 erwähnt. Das Tal und sein Ufer bilden das Delta eines Bachs, der sich von den Golanhöhen herab ergießt. Die Araber nennen ihn „Wadi Samak“ (Fischstrom). Die Mündung des Canyons ist einzigartig und erinnert an einen Sessel. Von daher stammt der Name Kursi. Er bedeutet „Stuhl“.
Während der Ausgrabungen von 2001 und 2002 fanden die Archäologen nordwestlich der Basilika das Caldarium und Frigidarium eines Badehauses. Ohne Zweifel hat dies für die Pilger zur Attraktivität des Ortes beigetragen. Heute ist die Basilika teilweise rekonstruiert, sodass die Besucher ihre einstige Schönheit und Größe erahnen können.
Die Basilika ist durch zwei Säulenreihen in ein Langhaus und zwei Seitenschiffe unterteilt. Ein großer Teil des Mosaikbodens ist nicht mehr vorhanden. Wahrscheinlich befand sich dort die Darstellung der Dämonenaustreibung und der Schweine, die wohl bei der muslimischen Invasion zerstört wurde. Es blieben nur geometrische Muster erhalten.
Die Seitenschiffe enthalten Darstellungen der lokalen Flora und Fauna. Auch Orangen, Wassermelonen und sogar Bananen sind zu erkennen. In die zwei Meter tiefe Zisterne im Atrium gelangte Regenwasser aus den überdachten Säulenvorhallen. Auf der Nordseite befindet sich eine Olivenpresse. Im Süden gibt es eine kleine Kapelle. In der Krypta darunter fanden die Ausgräber in steinernen Trögen 30 männliche Skelette – wahrscheinlich die sterblichen Überreste der Mönche.