Gedenken an 9. Oktober 1989

Marianne Birthler nennt DDR "Unrechtsstaat"

Die ehemalige Beauftragte für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, hat die Leipziger Großdemonstration vom 9. Oktober 1989 als Meilenstein der friedlichen Revolution vor 30 Jahren gewürdigt. „Als am Abend die Nachricht eintraf, dass in Leipzig Zehntausende unbehelligt demonstrierten, war es bei uns in der Berliner Gethsemanekirche zunächst mucksmäuschenstill“, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Und dann brach Beifall aus, die Leute fielen sich um den Hals und jubelten.“ Man habe diesen Abend „als große Befreiung“ erlebt.

Birthler kritisierte zugleich die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig (SPD), und ihren thüringischen Amtskollegen Bodo Ramelow (Linke), die es zuletzt abgelehnt hatten, die DDR einen „Unrechtsstaat“ zu nennen. „Man muss den Begriff ja nicht benutzen, aber es gibt gute Gründe, die DDR als Unrechtsstaat zu bezeichnen“, sagte sie: „Deshalb finde ich es geradezu bizarr, wenn jemand auf die Idee kommt, die SED-Diktatur wäre kein Unrechtsstaat gewesen.“

Als Begründung werde angeführt, dadurch werde die Lebensleistung von Ostdeutschen infrage gestellt, sagte die frühere Grünen-Politikerin weiter: „Aber der Begriff Unrechtsstaat meint doch nicht einzelne Menschen, sondern das politische System.“ Und Diktaturen seien per se Unrechtsstaaten, weil politische Macht über keine demokratische Legitimation verfüge.

Die 71-Jährige lobte zugleich, dass das Gedenken an 1989 lebendiger und produktiver geworden sei als früher: „Man guckt genauer hin. Es werden auch mehr Verbindungen zur Gegenwart hergestellt.“ Für die Nachgeborenen könne die Erinnerung an 1989 eine wichtige „Ressource“ sein, „die zeigt: Wenn Menschen sich in Bewegung setzen, dann kann sich etwas verändern. Und solche Ermutigung und Rückenstärkung werden die nächsten Generationen bitter nötig haben.“

In einer Umfrage für die Zeitungen der Funke Mediengruppe (Mittwoch) haben knapp drei Viertel der Deutschen die DDR in der Rückschau als Unrechtsstaat bewertet. Dabei war die Wahrnehmung zwischen Ost und West deutlich unterschiedlich: 49,2 Prozent der Ostdeutschen nannten die DDR einen Unrechtsstaat, aber 80,9 Prozent der Westdeutschen.

Auch der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Christian Hirte, hatte die Aussagen von Schwesig und Ramelow kritisiert: „Zwischen einer Diktatur und einem Unrechtsstaat bedarf es keiner Differenzierung. Die DDR war beides. Alles andere ist Geschichtsklitterung.“

KNA

09.10.2019 - Deutschland , Gedenken , Politik