Bischof Overbeck zum Vertrag von Maastricht

Vertrag hat Entwicklungen Europas entscheidend beeinflusst

Am 1. November 1993 trat der Vertrag von Maastricht nach jahrelangen Verhandlungen in Kraft. Er besiegelte etwas, das das Leben von Millionen Europäern veränderte: den Euro. Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeckund Vizepräsident der EU-Bischofskommission COMECE hat mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) über die Bedeutung des Vertrags für die Kirche gesprochen.

Den Grundstein für den Vertrag von Maastricht legte Kommissionspräsident Jacques Delors 1988. Danach wurden die Verhandlungen von Helmut Kohl und François Mitterand geprägt. Welche Rolle spielten christliche Werte in dieser Zeit?

Europa als Friedensprojekt ist seit seinen Anfängen von christlichen Werten geprägt. Grundprinzipien der katholischen Soziallehre, wie Solidarität und Subsidiarität, sind Fundamente der europäischen Integration. Das wurde im Vertrag von Maastricht bekräftigt und hat die weiteren Entwicklungen Europas entscheidend beeinflusst.

Welche Bedeutung hatte der Vertrag von Maastricht für die europäische Integration?

Overbeck: Der Vertrag markiert eine positive Zäsur der europäischen Einigung. An Allerheiligen 1993 machte er aus den vornehmlich ökonomisch ausgerichteten Europäischen Gemeinschaften eine politische Union. Viele gute Neuerungen von Maastricht sind aktuell von hoher Relevanz, etwa die gemeinsame Außenpolitik, die Wirtschafts- und Währungsunion oder die Zusammenarbeit in der Justiz- und Innenpolitik.

Mit dem Vertrag von Maastricht wurde der Euro eingeführt. Was bedeutete die Einführung des Euro für die Kirche?

Mit dem Euro wurde der Stabilitäts- und Wachstumspakt eingeführt. Im Dezember 2000 haben die Bischöfe der COMECE in einer Stellungnahme die Währungsunion begrüßt und mit deren Stabilität die Hoffnung auf ein solidarisches Europa verknüpft. Die Kirche befürwortet das Zusammenwachsen Europas, zu dem der Euro in grundlegender Weise beiträgt.

"Der Euro und ich, wir sind die einzigen Überlebenden des Maastrichter Vertrages", sagte Jean-Claude Juncker 2011. Kommendes Jahr endet seine Amtszeit als Kommissionspräsident. Wie bewerten Sie seine Amtszeit aus christlicher Perspektive? Ist er seinem Anspruch, die EU "sozialer" zu machen, gerecht geworden?

Jean-Claude Juncker betont zu Recht das Soziale an der EU, aber das ist nicht völlig neu. Zum Vertrag von Maastricht gehörte ein Sozialprotokoll, das in der heutigen Sozialen Säule der EU enthalten ist. Die Kirche begrüßt diese Sozialagenda der Kommission und Papst Franziskus hat sie im Oktober 2017 auf dem Kongress '(Re)Thinking Europe' im Vatikan diskutiert. Nach wie vor fehlen der EU aber viele Kompetenzen im Bereich der Sozialpolitik.

Mit dem Vertrag von Maastricht wurde aus der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft die Europäische Gemeinschaft. Heute leben wir in der Europäischen Union. Was sollte Ihrer Meinung nach der nächste Schritt in der europäischen Integration sein?

Die europäische Integration ist geprägt von einem Wechsel zwischen Erweiterung und Vertiefung. Aktuelle Phänomene wie der Brexit oder Debatten über die Migration scheinen diesen Wechsel zu erschweren. Nationalismus und Abschottung sind aber aus Sicht der katholischen Kirche keine Lösungen. Meiner Ansicht nach sollten wir daher in Europa innehalten, aufeinander hören und gemeinsam, im Geiste von Maastricht, Schritte im Sinne der Sicherung und Weiterentwicklung eines europäischen Gemeinwohls bedenken und vereinbaren.

Franziska Broich/KNA

25.10.2018 - Bischöfe , Historisches