Entschädigung für abgelehnte Bewerberin

Bundesarbeitsgericht zu Kirche: Diakonie erwägt Verfassungsklage

Die Diakonie muss einer abgelehnten Stellenbewerberin, die konfessionslos ist, eine Entschädigung von rund 3.900 Euro zahlen. Das entschied am Donnerstag das Bundesarbeitsgericht in Erfurt. Das evangelische Werk habe die Bewerberin wegen ihrer fehlenden Kirchenzugehörigkeit ungerechtfertigterweise benachteiligt, urteilte das Gericht unter Berufung auf das Europarecht.

Die Diakonie prüft, Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe einzulegen. Dem Urteil dürfte grundsätzliche Bedeutung zukommen. Der Europäische Gerichtshof hatte im April entschieden, dass kirchliche Arbeitgeber nicht pauschal und unbegründet die Zugehörigkeit zu einer Kirche verlangen dürfen.

Die konfessionslose Sozialpädagogin hatte sich 2012 beim Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung (EWDE) um eine Referentenstelle beworben, die einen Bericht zur Umsetzung der Antirassismus-Konvention durch Deutschland erarbeiten sollte. In der Ausschreibung hatte die Diakonie die Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche vorausgesetzt. Nach ihrer Ablehnung klagte die Frau wegen Diskriminierung aufgrund der Religion. Sie strebte eine Entschädigung in Höhe von mindestens rund 10.000 Euro an.

In der Verhandlung des achten Senats erklärten die Diakonie-Vertreter, im vorliegenden Fall sei die Kirchenzugehörigkeit des Stelleninhabers unverzichtbar gewesen, um die Position der Kirche bei dem Antirassismusprojekt glaubwürdig zu vertreten. Vertreter der Klägerin erklärten dagegen, für die Aufgabe sei keine Konfessionszugehörigkeit erforderlich gewesen.

Die Vorsitzende Richterin Anja Schlewing erklärte, in solchen Fällen dürften Bewerber nur dann wegen ihrer Religion benachteiligt werden, wenn die Kirchenzugehörigkeit eine berechtigte Anforderung sei. Daran habe das Gericht im vorliegenden Fall "erhebliche Zweifel". Es habe keine Gefahr bestanden, dass die Bewerberin das Ethos der Kirche beeinträchtigt hätte. Sie hätte bei ihrer Aufgabe nicht unabhängig handeln können.

Diakonie-Präsident Ulrich Lilie äußerte sich enttäuscht. Die mit den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs begründete Entscheidung weiche erheblich von der bisherigen deutschen Rechtsprechung zum kirchlichen Selbstbestimmungsrecht ab, so der stellvertretende EWDE-Vorsitzende.

Das Bundesarbeitsgericht hatte den Fall bereits 2016 verhandelt. Es legte den Fall dem EuGH vor, weil Europarecht betroffen ist. Der Gerichtshof in Luxemburg bestätigte im April, dass die Kirchen grundsätzlich berechtigt seien, Mitarbeiter nach Religionszugehörigkeit auszuwählen. Allerdings müssten nationale Gerichte die Einstellungskriterien für Jobbewerber auch bei Kirchen prüfen dürfen.

Zum Hintergrund des Urteils erklärte Gerichtssprecherin Stephanie Rachor, bisher sei noch nicht abschließend geklärt, wie die Rechtsprechung des EuGH und des Bundesverfassungsgerichts in Einklang gebracht werden kann. Karlsruhe hatte das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen bislang weitreichender ausgelegt als Luxemburg.

KNA

26.10.2018 - Deutschland