"Tag der Scham"

Bundestag erinnert an Holocaust-Opfer

Der Bundestag hat am Holocaust-Gedenktag an die NS-Opfer erinnert. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas sprach am Donnerstag von einem "Tag der Scham". Sie betonte: "Wir gedenken der Millionen Menschen, die verfolgt, beraubt, gedemütigt, entrechtet, gequält, dem Tode preisgegeben wurden. Weil sie anders dachten, anders glaubten, anders liebten oder weil ihr Leben den Nationalsozialisten als 'unwert' galt."

Die Gedenkstunde im Bundestag war vom damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog 1996 initiiert und wie der Holocaust-Gedenktag auf den Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz gelegt worden. Im November 2005 verabschiedete die Vollversammlung der Vereinten Nationen eine Resolution, die den 27. Januar zum weltweiten Gedenktag machte.

Bas betonte, Scham hätten die Täter nie gezeigt. Viel zu wenige hätten sich vor Gericht verantworten müssen. Viel zu viele seien mit Strafen davongekommen, "die einer Verhöhnung der Opfer gleichkamen". Der Völkermord an den Juden Europas sei ein deutsches Verbrechen. Aber er sei zugleich eine Vergangenheit, die alle angehe.

Antisemitismus sei nicht hinnehmbar: "Punkt. Egal, wo er herkommt." Antijüdische Stereotype und Vorurteile dürften sich nicht wieder breit machen. Dagegen schützten nicht allein Erinnern und Gedenken. Sie machten nicht immun gegen Antisemitismus sowie Rassismus und Rechtsextremismus.

Die Holocaust-Überlebende Inge Auerbacher erinnerte in der Gedenkstunde an ihr Schicksal. Auerbacher wurde 1934 in Kippenheim in Südbaden geboren. Im Alter von sieben Jahren wurde sie 1942 ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Dort starben viele ihrer nächsten Verwandten. Sie überlebte und wurde gemeinsam mit ihren Eltern und anderen Gefangenen am 8. Mai 1945 von sowjetischen Truppen befreit. Nach dem Zweiten Weltkrieg emigrierte sie 1946 mit ihren Eltern in die USA.

Sie habe die "grauenhafte Zeit des Schreckens und Judenhasses noch in Erinnerung". Leider sei dieser Krebs wieder erwacht, sagte Auerbacher. In vielen Ländern - auch in Deutschland - sei der Judenhass wieder alltäglich geworden. Die Krankheit müsse so schnell wie möglich geheilt werden.

Der israelische Parlamentspräsident Mickey Levy mahnte als Lehre aus der Geschichte, die Demokratie zu verteidigen und die Erinnerung an den Holocaust wach zu halten. Dies sei eine schwierige Aufgabe für die kommenden Generationen, sagte er im Bundestag. Dabei forderte er, das Gedenken nicht auf Zahlen zu reduzieren, sondern hinter ihnen jeweils eine Lebensgeschichte zu sehen. Die Erinnerungsarbeit verbinde das israelische und das deutsche Volk. Er dankte der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für ihre Verdienste um die Beziehungen zu Israel. Abschließend gedachte er mit Tränen in den Augen in einem Gebet der Opfer des Holocaust.

Traditionell nahmen auch die Spitzen der anderen Verfassungsorgane an der Gedenkstunde teil. Neben Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) waren das Bundesratspräsident Bodo Ramelow und der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth.

KNA

28.01.2022 - Gedenken , Holocaust , NS-Zeit