Verstoß gegen Menschenwürde

Ende der Todesstrafe gefordert

Die Bundesregierung, die Europäische Union und die Vereinten Nationen haben zur Abschaffung der Todesstrafe weltweit aufgerufen. Sie stelle einen Verstoß gegen die Menschenwürde dar und sei kein geeignetes Mittel zur Abschreckung vor Straftaten, betonten der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell und Europarats-Generalsekretärin Marija Pejcinovic Buric in einer gemeinsamen Erklärung. Anlass war der jährlich am 10. Oktober begangene Europäische Tag und Welttag gegen die Todesstrafe.

Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Luise Amtsberg (Grüne), betonte, Deutschland lehne die Todesstrafe unter allen Umständen ab. Der weltweite Trend gehe zur Abschaffung oder Aussetzung der Todesstrafe, sagte Amtsberg in Berlin. Doch die Zahl der Hinrichtungen sei im vergangenen Jahr wieder gestiegen; besonders viele Menschen würden in China, Iran, Ägypten, Saudi-Arabien und Syrien hingerichtet.

Ein weiteres Alarmzeichen sei die Ausweitung der Todesstrafe auf versuchte terroristische Handlungen in Belarus. "Das muss vor dem Hintergrund der gewaltsamen Unterdrückung der Proteste im Land gelesen werden. Seitdem wurden zahlreiche Aktivisten dieser Straftat beschuldigt", sagte Amtsberg. Auch die Militärjunta in Myanmar habe prominente Vertreter der demokratischen Opposition hinrichten lassen; in Iran seien Todesurteile gegen Aktivisten für die Rechte lesbischer und schwuler Menschen verhängt worden.

Unabhängige Sachverständige der Vereinten Nationen betonten, auch wenn die Todesstrafe innerhalb enger Grenzen völkerrechtlich erlaubt sei, lasse sie sich in der Praxis kaum ohne Verletzung der Menschenrechte umsetzen. "Abschaffung der Todesstrafe ist der einzig gangbare Weg", erklärten die Sonderberichterstatterin für Folter, Alice Edwards, und der Sonderberichterstatter für außergerichtliche Hinrichtungen, Morris Tidball-Binz, in Genf.

In einigen Staaten drohe die Hinrichtung für Vergehen wie Gotteslästerung, außereheliche sexuelle Beziehungen und Drogendelikte. Die UN-Experten sprachen auch von einem beunruhigenden Trend, Teilnehmer friedlicher politischer Proteste mit der Todesstrafe zu belegen. Obwohl mehr als 170 Staaten die Todesstrafe abgeschafft oder ein Moratorium eingeführt hätten, sprächen Berichte von einem Anstieg der Hinrichtungen im vergangenen Jahr um 20 Prozent.

Borrell und Pejcinovic Buric verurteilten die kürzlich in der besetzten ukrainischen Stadt Donezk verhängten Todesurteile; diese seien auch mit dem Völkerrecht unvereinbar. Zudem forderten sie Singapur, Iran, Saudi-Arabien sowie weitere Länder mit einer steigenden Zahl von Hinrichtungen auf, "sich dem weltweiten Trend anzuschließen und von der Anwendung dieser unmenschlichen Strafe abzusehen". Armenien und Aserbaidschan riefen sie auf, als letzte beiden der 46 Mitgliedsstaaten des Europarats dem entsprechenden Zusatzprotokoll der Europäischen Menschenrechtskonvention beizutreten.

Vergangenes Jahr wurden den Angaben zufolge noch in 18 Staaten, einer Minderheit von 9 Prozent der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, Hinrichtungen vollstreckt. Zuletzt hatten Äquatorialguinea, die Zentralafrikanische Republik, Sierra Leone und Papua-Neuguinea die Todesstrafe abgeschafft.

Amtsberg kündigte an, dass zum Weltkongress gegen die Todesstrafe (15. bis 18. November) Regierungen sowie Vertreter der Zivilgesellschaft aus 90 Ländern in Berlin erwartet würden, darunter auch Angehörige von in Todeszellen inhaftierten Menschen. Sie hoffe, dass diese Zusammenkunft "neue Initiativen zur weltweiten Abschaffung auf den Weg bringen" werde.

KNA