Bischof Gerber: "Tiefe Zäsur"

Erschütterung nach Gewalttat von Hanau

Vertreter der beiden großen Kirchen und von Religionsgemeinschaften haben erschüttert auf die Gewalttat von Hanau reagiert. Der Fuldaer Bischof Michael Gerber, zu dessen Bistum Hanau gehört, erklärte am Donnerstag: „Was wir aktuell an Informationen bezüglich der Hintergründe dieser Tat erfahren, verstört uns zutiefst.“

In einem Brief an den Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) schrieb Gerber, für die Stadtgesellschaft Hanaus bedeute dieses Verbrechen eine tiefe Zäsur. Er bat alle Gemeinden im Bistum, in den Sonntagsgottesdiensten für die Opfer zu beten. Viele Bistümer in Deutschland bekundeten in den Sozialen Medien ihre Trauer und posteten Bilder mit Kerzen.

Am späten Mittwochabend hatte nach Polizeiangaben ein Täter mindestens zehn Menschen in der Stadt erschossen. Die Ermittler gehen Medienberichten zufolge von einem rassistischen Hintergrund aus. Der mutmaßliche Täter wurde demnach später in seiner Wohnung tot entdeckt.

Die Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW), Beate Hofmann, erklärte, die vergangene Nacht habe das Leben in Hanau verändert. „Wir werden uns als Evangelische Kirche weiter für ein friedliches Zusammenleben in der Stadt einsetzen.“ Hanau gehört zur EKKW. Viele Kirchen der Stadt sollten am Donnerstag zum Gebet offen stehen.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, äußerte sich „fassungslos“ über die Bluttat. Wenn sich bewahrheite, was jetzt bekannt geworden sei, „dann ist diese Gewalttat ein trauriger Beleg für die brutalen Konsequenzen des Gifts, das rechtspopulistische und rechtsextreme Kreise zu streuen versuchen“, erklärte Bedford-Strohm in Hannover. „Wer Rassismus und Ausländerfeindlichkeit sät, der muss auch damit rechnen, dass daraus brutale Gewalt erwächst.“

Der Zentralrat der Juden erklärte, die „offenbar rechtsterroristische Bluttat“ in Hanau habe die jüdische Gemeinschaft tief erschüttert. Zentralratspräsident Josef Schuster sagte: „Es ist davon auszugehen, dass der Täter bewusst Menschen mit Migrationshintergrund treffen wollte. Nach der Mordserie des NSU zieht sich wieder eine rechtsextreme Blutspur durch Deutschland.“ Er verwies auf die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke im Juni vergangenen Jahres und den Anschlag auf die Synagoge von Halle vom 9. Oktober 2019. Zu lange sei die Gefahr durch den wachsenden Rechtsextremismus verharmlost worden.

Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, forderte eine entschiedene Reaktion. „Sollten sich die Medienberichte bestätigen, wäre dies der dritte rechtsextreme Mordschlag in unserem Land innerhalb von weniger als einem Jahr“, schrieb Knobloch auf Facebook. „Dieser massiven Zunahme von Hass und Gewalt müssen Politik und Justiz jetzt energisch entgegentreten, bevor es zu spät ist.“

Der Koordinationsrat der Muslime (KRM) sprach in Köln von einem „schwarzen Tag“ in der Geschichte Deutschlands. Die Tatorte und ein Bekennerschreiben zeigten, „dass der Terror eine bestimmte Zielgruppe hatte, nämlich Migranten, insbesondere Muslime“.

Mehrere der Getöteten sind den Angaben zufolge Kurden. Der kurdische Dachverband in Deutschland, Kon-Med, äußerte sich „wütend“, weil die politischen Verantwortlichen in Deutschland sich rechten Netzwerken und Rechtsterrorismus nicht entschieden entgegenstellten.

KNA

20.02.2020 - Amok , Islam , Rechtsextremismus