Genschere Crispr/cas

Internationale Wissenschaftler für Stopp bei Keimbahneingriffen

Ein Moratorium für Eingriffe in die menschliche Keimbahn mit Hilfe von Genscheren fordert eine Gruppe von elf internationalen Wissenschaftlern. In einem am Mittwoch erschienenen Beitrag im Fachjournal "Nature" schlagen sie eine freiwillige Verpflichtung aller Nationen vor, vorerst auf den klinischen Einsatz von Keimbahninterventionen zu verzichten. Die Anwendung sei erst denkbar, wenn auch die langfristigen Auswirkungen verstanden seien.

Zu den Unterzeichnern gehört eine der Erfinderinnen der Genschere Crispr/cas, die in Berlin arbeitende Mikrobiologin Emanuelle Charpentier. Auch der frühere Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Biochemiker Ernst-Ludwig Winnacker, und die Greifswalder Mikrobiologin Bärbel Friedrich tragen den Aufruf mit.

Nach einem festgelegten Zeitraum solle jedoch Spielraum für spezifische Anwendungen in einigen Ländern eröffnet werden, heißt es. Voraussetzung seien aber ausreichend Zeit für öffentliche Debatten, eine gerechtfertigte Anwendung und ein gesellschaftlicher Konsens.

Das Moratorium soll nach Ansicht der Unterzeichner ausdrücklich nur für die klinische Anwendung der Keimbahntherapie gelten; Forschung und somatische Gentherapien, die nur Individuen betreffen, sollen weiter stattfinden dürfen. Besonders kritisch setzen sich die Wissenschaftler mit Bemühungen um eine genetische Verbesserung der Menschheit durch Eingriffe in die Keimbahn auseinander. Hier gebe es noch weit größere Risiken als bei der Korrektur einzelner Krankheitsgene.

Mit der Genschere können Wissenschaftler das Erbgut von Pflanzen, Tieren und Menschen gezielt verändern. In der Medizin erwarten Forscher, dass menschliche Gendefekte repariert und damit Erkrankungen wie die Malaria und schwere Erbkrankheiten wie Mukoviszidose verhindert werden können. Umstritten sind Eingriffe in die menschliche Keimbahn, weil sie auch das Erbgut aller künftigen Generationen verändern.

Der chinesische Wissenschaftler He Jiankui hatte Ende November die Geburt von Zwillingsmädchen verkündet, die durch gentechnische Veränderungen resistent gegen HIV sein sollen. Kritiker sprachen von unverantwortlichen Menschenversuchen.

Deutsche Wissenschaftler begrüßten den Vorstoß für ein Moratorium, sehen aber Probleme bei der Umsetzung. Der Mannheimer Medizinrechtler Jochen Taupitz erklärte, die Wissenschaft sei weltweit weitgehend einig, dass Keimbahninterventionen zumindest in den nächsten Jahren nicht vertretbar seien. Die Umsetzung des Moratoriums werde jedoch angesichts unterschiedlicher Rechtssysteme schwierig.

Die Vorsitzende des Europäischen Ethikrates (EGE), Christiane Woopen, erklärte, ein Moratorium müsste auch Sanktionen vorsehen. Die Wiener Politikwissenschaftlerin Barbara Prainsack bemängelte, es werde nicht klar, wer das Moratorium beschließen oder aufkündigen solle. Die Münchner Medizinethikerin Alena M. Buyx verwies auf den Vorstoß der Weltgesundheitsorganisation, Standards für Keimbahneingriffe vorzulegen. Dafür sei es höchste Zeit.

KNA

14.03.2019 - Ethik , Gesundheit