Kardinal Tomasi:

Welt ohne Atomwaffen "moralischer Imperativ"

Der langjährige Vatikan-Diplomat Kardinal Silvano Tomasi würdigt das Inkrafttreten des Atomwaffenverbotsvertrags (TPNW) an diesem Freitag als ein "historisches Ereignis". Eine Welt ohne Atomwaffen sei "ein moralischer Imperativ unserer Zeit, die jeden Tag unsicherer wird", sagte er der Zeitung "Avvenire". Die internationale Gemeinschaft habe nun bekräftigt, dass nukleare Arsenale "unmoralisch und illegal" seien.

Dieser Konsens werde in Zukunft durch den öffentlichen Druck noch verstärkt, so der frühere Ständige Beobachter des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen in Genf. Staaten ohne Atomwaffen bekämen rechtliche und gegebenenfalls finanzielle Druckmittel, um für das Ziel einer nuklearwaffenfreien Welt zu kämpfen.

Bereits vor einigen Tagen hatte Papst Franziskus das in Kraft tretende Abkommen als einen wichtigen Schritt bezeichnet. Es war im Sommer 2017 von 122 Staaten bei den Vereinten Nationen in New York verabschiedet worden. Mehr als 80 Länder unterzeichneten es bisher, darunter auch der Heilige Stuhl als eigenes Völkerrechtssubjekt. Deutschland zählt nicht dazu.

Bereits bei einem Vatikan-Symposium 2017 hatte Franziskus nukleare Abschreckung als ethisch nicht mehr vertretbar bezeichnet und damit die katholische Lehre gegenüber Positionen aus dem Kalten Krieg verschärft. Bei einem Besuch im japanischen Hiroshima im November 2019 verurteilte er schon den Besitz von Kernwaffen als "unmoralisch".

In der im Oktober veröffentlichten Enzyklika "Fratelli tutti" verlangte das Kirchenoberhaupt die vollkommene Abschaffung von Atomwaffen als "moralische und humanitäre Pflicht". Die eingesparten Rüstungsausgaben sollten in einen Weltfonds fließen, "um dem Hunger ein für alle Mal ein Ende zu setzen und die Entwicklung der ärmsten Länder zu fördern".

Kardinal Tomasi bekräftigte diese Haltung und sagte, dass er auf die Mithilfe des neuen US-Präsidenten Joe Biden hoffe. Der spaltende Ansatz der Trump-Regierung habe den multilateralen diplomatischen Beziehungen in den vergangenen Jahren geschadet. Biden könne dies korrigieren. Das gelte auch für das am 5. Februar endende New-Start-Abkommen zwischen Russland und den USA. Die bilaterale Übereinkunft enthält eine Begrenzung der Nuklear-Arsenale beider Länder. Bislang konnte keine Einigkeit über eine Verlängerung erzielt werden.

KNA

22.01.2021 - Kardinäle , Politik , Vatikan