"Wirklichkeit eine andere"

Katholische Kirche relativiert Populisten-Erfolg bei Europawahl

Der Vorsitzende der EU-Bischofskommission Comece, Erzbischof Jean-Claude Hollerich, hat die hohe Beteiligung an den Europawahlen begrüßt und den Erfolg der Rechtspopulisten relativiert. „Europa hat bei den Wählern mehr Anklang gefunden“, sagte Hollerich am Montag in Rom. Die Menschen hätten gemerkt, dass die EU für ihr Leben wichtig sei.

Über das Erstarken der Rechtspopulisten äußerte er sich besorgt, betonte aber auch, ohne die Appelle von Papst Franziskus und das Engagement vieler Kirchengemeinden für eine offene Migrationspolitik wäre das Ergebnis „noch schlechter“ ausgefallen. Die katholischen Bischöfe hätten „keine opportunistische Botschaft, die gefällt“. Für das Evangelium sei die Aufnahme von Armen, Migranten und Marginalisierten zentral. „Ich kann kein anderes Evangelium predigen als das Evangelium Jesu Christi“, erklärte der Luxemburger Erzbischof.

Populisten hätten gerade in jenen Ländern schwächer abgeschnitten, in denen sie in Regierungsverantwortung stünden. „Die Leute haben erkannt, dass Worte eine Sache sind und die Wirklichkeit eine andere“, sagte Hollerich. Im Europaparlament sei es den populistischen Parteien nicht gelungen, die für eine Blockade nötige Stärke zu erreichen. Hollerich führte das darauf zurück, dass sie mit Versprechungen in den Wahlkampf gegangen seien, ohne deutlich machen zu können, wie sie diese erfüllen wollten.

In der Verschiebung der politischen Kräfte sah der Erzbischof maßgeblich eine Folge der neuen Kommunikationsmittel. „Das wirft die ganzen alten Demokratieregeln über den Haufen“, sagte Hollerich. „Wir müssen die Demokratie in Europa neu erfinden.“ Damit täten sich die alten großen Parteien vielleicht schwer.

Als „sehr positiv“ bewertete Hollerich, dass die Umweltparteien gerade bei jungen Wählern gepunktet hätten. „Das zeigt, dass alle Parteien diese Themen aufgreifen müssen, wenn sie bei der Jugend erfolgreich sein wollen“, sagte er.

Weiter betonte Hollerich, die beiden großen Parteienfamilien der Konservativen und der Sozialdemokraten im EU-Parlament müssten künftig eine dritte Gruppe einbeziehen, um eine Mehrheit zu erreichen. „Das heißt: Man muss Kompromisse schließen, und ich hoffe, dass das Kompromisse für den konkreten Menschen sind.“ Unter anderem nannte er Investitionen für die Zukunft und soziale Gerechtigkeit.

Zu möglichen Verbündeten der katholischen Kirche im neuen EU-Parlament äußerte sich Hollerich abwartend. Dies hänge auch von den konkreten Abgeordneten ab. Es sei „nicht immer das Parteien-Etikett, das alleine den Ausschlag gibt.“ Die Bischöfe seien „offen für den Dialog mit allen“, unterstrich der Erzbischof.

Die katholische Kirche selbst sei in Europa „nicht in der besten Situation“, sagte Hollerich unter Verweis auf das Fernbleiben von Jugendlichen. Zwar gebe es eine „gewisse Erneuerung“, aber für einen wirklichen Erfolg müsse die Kirche die „Spiritualität des Herzens“ mit einer „Spiritualität der realen Welt“ zusammenbringen.

KNA

28.05.2019 - Bischöfe , Europa , Politik