"Leben mit Demenz"

Kirchen eröffnen "Woche für das Leben"

Die Sorge um demente Menschen und ihre Angehörigen steht im Mittelpunkt der diesjährigen ökumenischen "Woche für das Leben". Die beiden großen Kirchen eröffneten sie am Samstag in Leipzig. Die bundesweite Aktion läuft bis zum 7. Mai unter dem Leitwort "Mittendrin. Leben mit Demenz". In vielen Veranstaltungen wollen die Kirchen auf die Situation von dementen Menschen und deren Angehörigen aufmerksam machen und einen menschenwürdigen Umgang mit der Krankheit fördern.

Beim Auftaktgottesdienst in der evangelischen Nikolaikirche sagte der Vize-Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Franz-Josef Bode, die Würde eines Menschen hänge nicht von seiner Gesundheit, seinen geistigen Fähigkeiten oder seiner Fähigkeit zur Selbstbestimmung ab. "Gott ist der Garant der Würde des Menschen", betonte der Osnabrücker Bischof. Auch Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen müssten am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Deshalb unterstützten die Kirchen die "Nationale Demenzstrategie" der Bundesregierung, in der sich seit 2020 viele Akteure engagieren.

Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Annette Kurschus, betonte, ein Mensch könne seine Erinnerungen oder sogar seiner Persönlichkeit verlieren. Gott werde diesen Menschen "auch dann, dann erst recht" nicht verloren geben, sagte die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen.

Bei einer Podiumsdiskussion forderte der frühere SPD-Vorsitzende und Vizekanzler Franz Müntefering mehr niedrigschwellige und "lebenspraktische" Hilfen für demenzkranke Menschen und ihre Angehörigen. So müsse es mehr als die bislang 400 bis 500 "lokalen Allianzen" geben, die Selbsthilfegruppen oder Sozialberatung anbieten. Der ehemalige Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisation wandte sich überdies dagegen, demente Menschen nur als Fälle zu betrachten. Sie seien einzigartige Individuen "wie Menschen ohne Demenz auch".

Der Gerontologe und Psychologe Andreas Kruse betonte, dass Menschen mit Demenz in besonderem Maße auf Anregungen von außen angewiesen seien, um ihre Funktionen und Fertigkeiten länger zu erhalten. Dazu könnten Rituale wie Beten und Singen von Kirchenliedern gehören. "Der Glaube geht mit der Diagnose einer Demenz nicht verloren", sagte Kruse, der früher dem Deutschen Ethikrat angehörte. Auch könnten Glaubensgespräche mit Angehörigen ein wichtiges Angebot sein, um das Zusammenleben mit dementen Menschen zu bewältigen. In dieser Hinsicht hätten die Kirchengemeinden eine wichtige Aufgabe.

Als Begründung für die Ängste vor Demenz nannte die Studienleiterin der Katholischen Akademie in Freiburg, Verena Wetzstein, die "Provokation" dieser Krankheit in einer Gesellschaft, die den Wert eines Menschen nach seiner Leistungsfähigkeit bemesse. Dem widerspreche aber die biblische Botschaft, dass jeder Mensch ein Ebenbild Gottes sei, und die im Grundgesetz festgeschriebene Unantastbarkeit der Menschenwürde.

KNA

02.05.2022 - Gesundheit , Kirchen , Senioren