Kohlgraf kritisiert Kyrill I.:

Religion "Teil einer Propaganda"

Der Präsident der katholischen Friedensbewegung Pax Christi und Mainzer Bischof Peter Kohlgraf kritisiert den Moskauer Patriarchen Kyrill I. für dessen religiöse Rechtfertigung des Krieges gegen die Ukraine. "Ich habe ein Problem damit, wenn Religion Teil einer politischen Propaganda wird", sagte Kohlgraf bei einer Podiumsdiskussion in Frankfurt.

Das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche hatte Gegner Russlands etwa als "Kräfte des Bösen" bezeichnet. "Es ist immer unchristlich, wenn sich Kirchenleute vor einen politischen Karren insofern spannen lassen, dass das Evangelium dazu dient, bestimmte politische Positionen zu zementieren, die dann auch noch menschenfeindlich sind", kritisierte Kohlgraf Kyrills Rechtfertigung. Natürlich habe jede Religion auch ein Gewaltpotenzial in sich, räumte der Pax-Christi-Präsident ein. "Das macht ja gerade unsere Friedensarbeit so wichtig, dass wir auch solche Gewaltpotenziale entlarven."

Die Situation sei für die gesamte orthodoxe Kirche wegen der unterschiedlichen Standpunkte zum Ukraine-Krieg "eine Riesenkatastrophe, auch eine ökumenische Katastrophe", sagte Kohlgraf. Es sei die Frage, "wie Versöhnung gepredigt werden kann, wenn Kirchen untereinander verfeindet sind und sich das Existenzrecht absprechen".

Papst Franziskus sieht Kohlgraf mit seiner Haltung im Ukraine-Krieg "in guter Tradition der vatikanischen Friedensdiplomatie". Zur Kritik, wonach Franziskus den russischen Präsidenten Wladimir Putin nicht namentlich als Aggressor nenne, sagte Kohlgraf, der Vatikan habe sich mit klaren Verurteilungen einzelner Personen öffentlich immer zurückgehalten, "um Fenster und Türen" als Gesprächsperspektive für beide Konfliktparteien offenzuhalten. So sei es beispielsweise 2014 gelungen, "dass die USA und Kuba wieder diplomatische Verbindungen miteinander aufgenommen haben".

Kohlgraf forderte dazu auf, in der Friedensbewegung "kreative Wege" zu gehen. Es sei nötig, die Zivilgesellschaft in Russland zu stärken und diejenigen, "die die intellektuelle Kraft hätten, Russland im Inneren zu verändern".

Der Referent für Friedensethik der Deutschen Kommission Justitia et Pax, Markus Patenge, sagte, der Angriffskrieg Russlands trage "imperialistische" Züge und ziele darauf ab, "die Kultur der Ukraine auszulöschen". In dieser Situation habe die Ukraine das Recht auf Selbstverteidigung. Es gebe zugleich "die moralische Verpflichtung der Anderen zu helfen, dass die Ukraine dieses Recht auf Selbstverteidigung ausüben kann". Auch der Vatikan stelle das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine nicht in Frage, "weil es Kernbestandteil katholischer Friedenslehre ist", so Patenge.

Der katholische Theologe Thomas Nauerth vertrat hingegen die Auffassung, dass "Sicherheitsbedürfnisse" Russlands Grund für den Ukraine-Krieg seien. Dafür erntete er Widerspruch. Das Podiumsgespräch im katholischen Bildungszentrum "Haus am Dom" in Frankfurt stand unter der Überschrift "Papst Franziskus und der Krieg".

KNA

06.07.2022 - Bischöfe , Russland , Ukraine