Helfer: Lage unübersichtlich

Bislang mehr als 8.500 Erdbeben-Opfer

Im türkisch-syrischen Erdbebengebiet treffen immer mehr internationale Helfer ein, um weiter nach Überlebenden zu suchen. Zugleich ist die Zahl der Todesopfer auf rund 8.500 gestiegen; allein im betroffenen Gebiet im Süden der Türkei wuchs sie auf mehr als 6.200, wie die Katastrophenschutzbehörde Afad am Mittwochmorgen mitteilte. Zehntausende Menschen seien verletzt. Papst Franziskus hat zu internationaler Hilfe für die Erdbebengebiete aufgerufen, insbesondere auch für Syrien.

In der Generalaudienz am Mittwoch im Vatikan ermutigte das Kirchenoberhaupt zu "Solidarität mit jenen Gebieten, die teilweise schon von einem langen Krieg zermartert sind". Wie schon direkt nach dem Erdbeben vom Montag erinnerte der Papst an die Betroffenen: "Tief bewegt bete ich für sie und bekunde meine Nähe zu diesen Völkern, den Angehörigen der Opfer und allen, die durch diese verheerende Katastrophe leiden."

Weltweit gibt es eine Welle der Solidarität sowie Spenden für die Leidtragenden. Allerdings erschweren nicht nur eisige Kälte und zerstörte Zufahrtswege, sondern auch die schwierige diplomatische Lage die Rettungsarbeiten.

Der Nothilfekoordinator der Hilfsorganisation Care, Marten Mylius, erklärte im ZDF-Morgenmagazin, man verstärke die Hilfe in der syrischen Erdbebenprogramm über bereits laufende Programme in Kliniken und den großen Zeltstädten für Binnenvertriebene. Einige Kliniken seien zerstört. Auch gestalte sich der Nachschub von Hilfsgütern sehr schwierig, weil nur ein einziger Grenzübergang zwischen Türkei und Syrien geöffnet sei.

Die Hilfe laufe nicht über die syrische Regierung in Damaskus, sondern erfolge direkt von der Türkei in den Nordwesten Syriens. Allerdings sei es derzeit nicht möglich, dorthin zu gelangen. "Unsere erste Priorität ist im Moment Leib und Leben unserer 450 Mitarbeiter im Südosten der Türkei", sagte Mylius. Auch unter ihnen seien Opfer: "Wie sollen die Leute jetzt helfen, die selbst so betroffen sind?"

Der türkische Botschafter in Deutschland, Ahmet Basar Sen, erklärte in der Sendung, es seien in zehn Provinzen der Türkei rund 15 Millionen Menschen betroffen. Er zeigte sich sehr dankbar für die große Hilfe, "aber es reicht leider noch nicht aus". Um noch Menschen aus den Trümmern zu retten, bitte er weiter um Rettungsteams aus Deutschland. Es seien etwa 6.000 Häuser zerstört.

Den betroffenen Syrern helfe die Türkei sowohl auf der türkischen als auch der syrischen Seite der Grenze, betonte Sen. Rund acht bis zehn Millionen Syrer bekämen Hilfe von der Türkei. Vier Millionen von ihnen befänden sich als Geflüchtete in der Türkei, vermutlich zwei Millionen im Erdbebengebiet auf der türkischen Seite. "Wir solidarisieren uns auch mit dem syrischen Volk", sagte der Botschafter. Die Türkei wolle sich dafür einsetzen, dass Hilfsgüter auch zu den Menschen in Syrien gelangten.

Zur Frage, ob Präsident Recep Tayyib Erdogan weitere Grenzübergänge öffnen lassen werde, könne er nichts sagen, erklärte Sen. "Je nach Sicherheitslage müssen das die türkischen Behörden vor Ort entscheiden. Aber das wird bestimmt geprüft in dieser sehr prekären schwierigen Lage", unterstrich der Diplomat.

Die Regionalkoordinatorin der Deutschen Welthungerhilfe, Renate Becker, erklärte, man beginne an diesem Mittwoch mit Partnerorganisation in Syrien, erste Hilfsmaßnahmen durchzuführen. Vor allem würden Zelte, Decken, Matratzen, Nahrungsmittel und Baumaterial zur Verfügung gestellt, denn einige Häuser seien reparierbar. Außerdem werde ein Gemeindezentrum als Notunterkunft hergestellt, um die Menschen vor eisiger Kälte, Regen und Schnee zu schützen.

Erschwert werde die Lage durch die Sperrung des Flughafens Gaziantep, so dass weite Fahren mit dem Auto von anderen Flughäfen erforderlich seien. Auch wenn es "wahnsinnigen Druck" zu schnellem Handeln aufgrund der Kälte und Verzweiflung der Menschen gebe, so müsse man doch Ruhe bewahren, sagte Becker.

Die Hilfsorganisation Handicap International warnte, dass sich Verletzungen verschlimmern oder zu dauerhaften Behinderungen führen könnten, wenn die Betroffenen keine angemessene Hilfe erhielten. Die Teams vor Ort stellten derzeit Mobilitätshilfen wie Rollstühle, Blindenstöcke oder Gehhilfen bereit. Außerdem benötigten unzählige Menschen psychosoziale Unterstützung, sagte Geschäftsführerin Inez Kipfer-Divadi.

KNA

08.02.2023 - Naturkatastrophe , Syrien , Türkei