Nach Missbrauchsgutachten

Rufe nach Konsequenzen werden lauter

Nach der Vorstellung des Münchner Missbrauchsgutachtens werden Forderungen nach Konsequenzen laut. So erklärte der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck, der emeritierte Papst Benedikt XVI. müsse sich zu den Ergebnissen des Gutachtens "verhalten". Es müsse Verantwortung übernommen werden, und "die ist immer personal", sagte Overbeck im ZDF. Auch das Erzbistum München-Freising und die Verantwortlichen müssten Konsequenzen ziehen.

Die Kirche müsse versuchen, Vertrauen wiederzugewinnen, fügte Overbeck hinzu. Dazu gehöre, dass "wir den großen Themen, die in unserer heutigen Welt eine wichtige Rolle spielen, mehr Raum geben". Dies betreffe auch die Rolle der Frauen in der Kirche, die große sozial-ökologische Verantwortung, die Ökumene und den interreligiösen Dialog; "und wir brauchen ein religiöses Miteinander aller, die glauben", betonte der Ruhrbischof.

Nach Ansicht des Jesuiten und Kinderschutz-Experten Hans Zollner werfen die Ergebnisse des Gutachtens ein anderes Licht auf die Amtszeit von Benedikt XVI. als Papst (2005-2013). Sollten sich die vier Fälle bewahrheiten, in denen die Kanzlei ihm Versagen als Münchner Erzbischof (1977-1982) nachweist oder dieses vermutet, dann werde man eine Neubewertung vornehmen müssen, sagte der Leiter des Instituts für Safeguarding an der päpstlichen Universität Gregoriana in Rom im BR-Fernsehen. Dann wäre es nach seinen Worten auch wichtig, dass sich der emeritierte Papst entschuldigt.

Ein solches Verhalten wäre wichtig für die Kirche und für all jene, die auch den emeritierten Papst sehr schätzen, erklärte Zollner. Wenn es Fehler gegeben habe und Benedikt XVI. nicht reagiert habe, wie es hätte sein sollen, dann sollte das von ihm auch so benannt werden.

Die Theologin Doris Reisinger erklärte, sie rechne mit einer Wende in der Wahrnehmung des früheren Papstes. "Wir wissen jetzt, dass Ratzinger bereit ist, öffentlich zu lügen, um sich seiner Verantwortung zu entledigen", sagte sie dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Sie kritisierte zudem, dass im Umgang der Kirche mit Missbrauch und mit Betroffenen weiter "die kalte Logik des kirchlichen Strafrechts" vorherrsche: "Bis heute müssen Betroffene damit rechnen, dass ihnen mit einem grundsätzlichen Misstrauen begegnet wird."

Auch der Betroffenenbeirat der Deutschen Bischofskonferenz forderte Konsequenzen aus dem Gutachten. Wenn die katholische Kirche nach dem "nun bekannten Offenbarungseid" von Benedikt XVI. nicht noch den "allerletzten und verbliebenen Rest ihrer Glaubwürdigkeit verlieren" wolle, müssten die Verantwortlichen "jetzt und sehr mutig" handeln, sagte Sprecher Johannes Norpoth der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Konkret forderte er den Ständigen Rat der Bischofskonferenz, den Hauptausschuss des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) und die dritte Synodalversammlung des Reformprojekts Synodaler Weg zum Handeln bei ihren Sitzungen in den kommenden Wochen auf.

Das am Vortag vorgestellte Gutachten bescheinigt dem früheren Papst Benedikt XVI./Joseph Ratzinger Führungsversagen im Umgang mit Missbrauchstätern sowie fehlende Sorge für die Geschädigten in seiner Zeit als Münchner Erzbischof (1977-1982).

KNA

21.01.2022 - Aufarbeitung , Missbrauch , Papst