Weiter Aufnahmestopp für ausländische Neukunden

Neue Debatte über Armut nach Entscheidung der Essener Tafel

Der umstrittene Beschluss der Essener Tafel, an ihrem Aufnahmestopp für ausländische Neukunden festzuhalten, führt zu einer neuen Debatte über Armut in Deutschland.

Der evangelische Theologe Richard Schröder verteidigte die Entscheidung der Tafel erneut. Die Tafeln seien kein staatliches Instrument zur Unterstützung von Hilfsbedürftigen, sagte er am Donnerstag im Deutschlandfunk. Allerdings hätten einige Migranten womöglich den Eindruck, dass die Leistungen der Tafel ihnen zustünden, und legten entsprechend "rabiate Verhaltensweisen" an den Tag.

Das Argument, dass der Staat seiner Verantwortung bei der Armutsbekämpfung nicht nachkomme, tauge nichts, sagte der Theologe. Die Tafeln retteten Menschen nicht vor dem Hungern. Wer zur Tafel gehe, spare vielmehr Geld, das er für anderes verwenden könne. "Das gönne ich auch den Bedürftigen. Aber zu behaupten, der Staat müsste so viel zahlen, dass die Leute an der Tafel vorbeigehen und sagen, was soll ich denn dort, das ist doch eine absurde Erwartung."

Der Präsident der Diakonie, Ulrich Lilie, betonte dagegen: "Die Tafeln sind keine Antwort auf das strukturelle Armutsproblem." Die Politik dürfe die Armut nicht den Tafeln und Ehrenamtlern überlassen, mahnte er im "Tagesspiegel". Die künftige Bundesregierung müsse sich damit befassen, "wie in diesem reichen Land mehr Geld zur Bekämpfung der Armut eingesetzt werden kann".

Auch der Vorsitzende der Tafeln in Deutschland, Jochen Brühl, forderte die Politik zu konkretem Handeln auf: "Kümmert euch um die, die abgehängt sind", appellierte er in der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Es gebe einen "unfassbaren Niedriglohnsektor", eine unzureichende Grundsicherung und unausgegorene Zuwanderungspolitik", kritisierte Brühl. Diese Rahmenbedingungen müssten verbessert werden. "Das ist nicht die Aufgabe der Tafel. Das ist Aufgabe des Staates."

Zugleich zeigte sich Brühl besorgt um die Zukunft der Tafeln. Diskussionen wie die aktuelle dürften nicht auf dem Rücken von Ehrenamtlichen ausgetragen werden. Auch müsse man sich Gedanken machen, was eine weitere Anhebung des Rentenalters für das Ehrenamt bedeuten würde.

Unterdessen wurde bekannt, dass auch bei der Tafel in Marl ein Aufnahmestopp für Ausländer gilt. Zuletzt seien 80 Prozent der Kunden Ausländer gewesen, sagte die Vorsitzende Renate Kampe bei Radio Vest. Man wolle allerdings Ausnahmen für besonders Bedürftige machen.

Unter dem Motto "Lebensmittel retten. Menschen helfen" sammeln die Tafeln bundesweit Lebensmittel ein, die im Wirtschaftskreislauf nicht mehr verwendet werden können, und verteilen sie an Bedürftige. Mit rund 60.000 ehrenamtlichen Mitarbeitern, 934 Tafeln und etwa 2.100 Ausgabestellen gelten die deutschen Tafeln als eine der größten sozialen Bewegungen der Zeit. Die erste Tafel wurde am 22. Februar 1993 in Berlin aus der Taufe gehoben.

KNA

02.03.2018 - Deutschland , Diakonie