Nach Aufdeckung von Bischof Wiesemann

Niederbronner Schwestern wollen Missbrauchsvorwürfe aufklären

Die Niederbronner Schwestern haben ihren Willen zur Aufklärung von Missbrauchsvorwürfen bekräftigt. Provinzoberin Schwester Barbara Geißinger kündigte in Nürnberg auf Anfrage die Einrichtung einer unabhängigen Aufarbeitungskommission an. Auch werde die Kongregation in der Sache mit der Diözese Speyer kooperieren.

Am Donnerstag hatte der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann schwere Missbrauchsvorwürfe gegen den verstorbenen früheren Generalvikar und Offizial des Bistums, Rudolf Motzenbäcker, öffentlich gemacht. Wiesemann hält die Vorwürfe für glaubwürdig. Demnach hat der 1998 verstorbene Geistliche zwischen 1963 und 1975 mehrere Kinder schwer missbraucht. Ein Betroffener hat deshalb mit Erfolg vor dem Darmstädter Sozialgericht in diesem Jahr eine Opferentschädigung erstritten.

Der Mann sagte aus, dass Motzenbäcker nicht nur ihn missbraucht, sondern auch Sexpartys organisiert hätte, bei denen es zu Gruppenvergewaltigungen gekommen sei. Der Betroffene lebte von 1963 bis 1972 in einem von den Niederbronner Schwestern betreuten Kinderheim. Vor Gericht gab er an, Ordensfrauen hätten Insassen des Heims Missbrauchstätern gegen Geld zugeführt. Die Kammer hält seine Aussagen insgesamt für glaubwürdig.

Die Provinzoberin erklärte dazu, zweifellos habe der Kläger "leidvolle Missbrauchserfahrungen" gemacht. Einige der während des Verfahrens vorgetragenen Details seien für die Kongregation jedoch mangels vorliegender Indizien "nicht nachvollziehbar". In Gesprächen mit einer noch lebenden Zeitzeugin hätten sie nicht bestätigt werden können. "Dazu zählen zum Beispiel die vermeintlichen Sexparties, Gruppenvergewaltigungen und die behauptete Prostitution der Kinder durch Schwestern."

Schwester Barbara Geißinger, die erst neu im Amt der Kongregationsleitung ist, äußerte sich zugleich "dankbar für die Offenheit der betroffenen Missbrauchsopfer. Wir brauchen ihre mutige Unterstützung, um diese Fälle aufzuarbeiten, damit bestmögliche Prävention geleistet werden kann." Außer in Speyer, wo ihrem Orden nach eigenen Angaben bisher kein weiterer Fall aus dem damaligen Heim bekannt ist, gab es demnach in einer von Niederbronner Schwestern in Oberammergau betreuten Einrichtung der Stadt München von vier dort untergebrachten Personen geäußerte Missbrauchsvorwürfe gegen einen Ordensmann.

In diesem Zusammenhang beschuldigte Schwestern seien gehört worden, aber mittlerweile verstorben, erklärte Geißinger. Auch die Verantwortlichen seien inzwischen tot und könnten nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden. Weil die genannten Heime nicht in Trägerschaft ihres Ordens gewesen seien, befänden sich auch ihre Archive nicht in Händen der Kongregation. "Was wir dennoch zu einer Aufklärung beitragen können, wollen wir tun."

KNA

11.12.2020 - Aufarbeitung , Bistum , Missbrauch