Kardinal Zuppi in Kiew

Selenskyj spricht mit Papst-Gesandtem über "Friedensgipfel"

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat am Dienstag in Kiew mit dem päpstlichen Sondergesandten Kardinal Matteo Zuppi über Friedenspläne für sein Land gesprochen. Nach Angaben der Präsidentenkanzlei in Kiew sprach sich Selenskyj für einen globalen Friedensgipfel aus, an dem möglichst viele Länder teilnehmen sollten, insbesondere aus dem globalen Süden. Papst Franziskus hatte Zuppi in die Ukraine geschickt, damit er "Wege zu einem gerechten Frieden" sondiert, wie der Vatikan am Montag mitgeteilt hatte.

Der italienische Kardinal habe Selenskyj einen Brief von Franziskus übergeben, erklärte0 die Präsidentenkanzlei. Im Mittelpunkt der Begegnung hätten die Lage in der Ukraine und eine Zusammenarbeit mit dem Heiligen Stuhl bei der Umsetzung einer ukrainischen Friedensformel gestanden. Selenskyj betonte demnach, dass eine Waffenruhe und ein Einfrieren des Konflikts nicht zu Frieden führten. Russland würde eine Waffenruhe zum Ausbau seiner Fähigkeiten nutzen, "um eine neue Welle von Verbrechen und Terror durchzuführen".

Moskau müsse all seine Truppen aus dem ukrainischen Hoheitsgebiet abziehen, unterstrich Selenskyj. Er forderte, Russland diplomatisch zu isolieren und Druck auf Moskau auszuüben, damit es zu einem gerechten Frieden komme. Der Präsident rief zugleich den Vatikan auf, zur Umsetzung des ukrainischen Friedensplans beizutragen.

"Wir begrüßen die Bereitschaft anderer Staaten und Partner, Wege zum Frieden zu finden; aber da der Krieg auf dem Territorium der Ukraine weitergeht, kann der Algorithmus zur Erreichung des Friedens nur ukrainisch sein", sagte der 45-Jährige. Der Heilige Stuhl könne einen wirksamen Beitrag zur Freilassung von ukrainischen Gefangenen, zur Rückkehr von nach Russland verschleppten Kindern und zur Wiederherstellung von Gerechtigkeit leisten.

Zuppi drückte laut der Präsidentenkanzlei die Solidarität von Papst Franziskus mit dem ukrainischen Volk aus und versicherte, dass der Heilige Stuhl bereit sei, sich an der Suche nach Wegen zur Umsetzung humanitärer Initiativen zu beteiligen.

Der Vorsitzende der Italienischen Bischofskonferenz war Ende Mai vom Papst zum Leiter einer vatikanischen Friedensmission ernannt worden. Deren Ziel ist, Spannungen zwischen Kiew und Moskau abzubauen und Wege zum Frieden aufzuzeigen. Zuppi ist eng mit der Gemeinschaft von Sant'Egidio verbunden, die für den Vatikan schon wiederholt in delikaten Vermittlerfunktionen bei internationalen Konflikten tätig war.

Der Papstgesandte hatte am Montag die Stadt Butscha bei Kiew besucht. Dort töteten russische Truppen bis zu ihrem Abzug Anfang April 2022 laut der ukrainischen Staatsanwaltschaft etwa 400 Zivilisten. Der Kardinal besichtigte eine Kirche in Butscha, in der Kriegsverbrechen dokumentiert werden. An einem Gedenkort für die Opfer stellte er ein Grablicht ab.

In Kiew sprach Zuppi am Montag auch mit dem Menschenrechtsbeauftragten des ukrainischen Parlaments, Dmytro Lubinets, und dem Gesamtukrainischen Rat der Kirchen und Religionsgemeinschaften. Bei der Unterredung mit Lubinets ging es auch um die Rückführung von ukrainischen Kindern, die nach Russland verschleppt wurden. Nach früheren Angaben Kiews wurden mehr als 10.000 ukrainische Kinder aus den von russischen Truppen besetzten Gebieten des Landes entführt.

Oliver Hinz/KNA

07.06.2023 - Russland , Ukraine , Vatikan