Soziologe:

Starke Skepsis der Freikirchen gegen Corona-Maßnahmen

Dass es in freikirchlichen Gemeinden immer wieder zu Verstößen gegen Corona-Regeln kommt, hängt nach Auffassung des Religionssoziologen Detlef Pollack mit deren Selbstverständnis zusammen. Bei vielen freikirchlichen und evangelikalen Gruppierungen sei eine starke Skepsis gegenüber den staatlichen Maßnahmen zu spüren, sagte er im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Montag in Münster. "Diese Skepsis gegenüber Autoritäten liegt in der Tradition dieser Verbünde." 

Die Freikirchen wollten ein ernsthafteres Christentum leben als die meisten Menschen in den großen Kirchen. "Die eigene religiöse Sonderinterpretation wird oft über wissenschaftliche und staatliche Autoritäten gestellt", so der Theologe.

Am Wochenende hatte die Polizei im westfälischen Herford den Gottesdienst einer Freikirche aufgelöst, weil die mehr als 100 Teilnehmer keinen Mund-Nasen-Schutz trugen. Es ist bereits häufiger vorgekommen, dass freikirchliche Gemeinden gegen die Corona-Regeln verstoßen haben oder zu Infektionsherden geworden sind, zuletzt auch in Süddeutschland.

Pollack erklärte, dass auch der persönliche Kontakt und das gemeinsame Gebet für viele Freikirchen-Anhänger von großer Bedeutung seien. "Die Bindung an die eigene Gemeinde ist sehr stark und die gemeinschaftlichen Zusammenkünfte haben einen höheren Stellenwert als etwa in den beiden großen christlichen Kirchen." Die katholischen Bistümer und evangelischen Landeskirchen hätten im Unterschied zu vielen Freikirchen von vornherein die Vorgaben der Politik akzeptiert und weitgehend darauf verzichtet, die Corona-Krise ausschließlich im Licht des Evangeliums, etwa als Strafe Gottes oder als eine Prüfung für den Menschen, zu interpretieren.

Pollack betonte, dass man nicht alle freikirchlichen und evangelikalen Verbünde in einen Topf werfen dürfe. Unter den Gemeinden, die in der Regel eine große Eigenständigkeit für sich beanspruchten, gebe es auch solche, die die Vorgaben der Politik und der Wissenschaft ernst nähmen. "Das freikirchliche und evangelikale Spektrum ist in sich sehr stark polarisiert."

KNA

05.01.2021 - Corona , Kirchen