Widerspruch oder Zustimmung?

Spannendes Rennen bei Entscheidung zur Organspende

Kurz vor der Bundestagsentscheidung zur Organspende versuchen die Befürworter der beiden konkurrierenden Gesetzentwürfe, unentschlossene Abgeordnete für ihren Gesetzentwurf zu mobilisieren. Hatte am Freitag Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in einem Brief an die Parlamentarier für die Widerspruchslösung geworben, so haben jetzt auch die Gegner dieses Vorschlags einen Brief an alle Abgeordneten verfasst, in dem sie für die Zustimmungslösung und die „Stärkung der Entscheidungsbereitschaft“ werben.

„Niemand von uns kann genau wissen, welche Folgen eine Widerspruchsregelung für unsere Gesellschaft hat“, heißt es in dem Schreiben, das der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ vorliegt. Unterschrieben haben den Brief sieben Abgeordnete von Union, SPD, Grünen und FDP, darunter die frühere Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD). „Wir sollten aber bei all den Patientinnen und Patienten, die sich mit der Einführung der Widerspruchsregelung mehr Spenderorgane versprechen, keine falschen Hoffnungen wecken“, heißt es in dem Schreiben weiter.

„Es wäre ein Fehler, die Widerspruchsregelung einzuführen“, betonte Kirsten Kappert-Gonther von der Grünen-Fraktion, die den Brief unterzeichnet hat. „Grundsätzlich bedeutet Schweigen nicht Zustimmung.“ Es könne sein, dass es jemand einfach nicht geschafft hat zu widersprechen. Dann sei es nicht vertretbar, dass diesem Menschen Organe entnommen würden.

Die Abstimmung im Bundestag steht am Donnerstag an. Dabei zeichnet sich ein knappes Rennen zwischen den beiden konkurrierenden fraktionsübergreifenden Gesetzentwürfen ab. Das ergibt sich aus einer Auswertung der Unterstützerlisten sowie einer Umfrage der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ unter all denjenigen Bundestagsabgeordneten, die keinen der Anträge mit eingebracht haben.

Demnach sind von den insgesamt 709 Parlamentariern bisher 252 entschlossen, für die sogenannte „Widerspruchslösung“ von Spahn und dessen SPD-Mitstreiter Karl Lauterbach zu stimmen. Die sieht im Kern vor, dass jeder, der nicht zu Lebzeiten widerspricht, nach seinem Tod als Organspender gilt. So soll die niedrige Zahl der Organspenden in Deutschland von zuletzt 955 im Jahr erhöht werden.

Dagegen befürworten derzeit 221 Abgeordnete den Entwurf von Grünen-Chefin Annalena Baerbock und Linken-Chefin Katja Kipping zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft. Sie wollen es dabei belassen, dass nur eine aktive Zustimmung zu einer Organspende führen kann. Deren Zahl wollen sie aber dadurch steigern, dass sie mehr Anstöße zur Beschäftigung mit dem Thema geben und ein Online-Register einführen, in dem Bürger ihren Entschluss leicht dokumentieren können.

Außerdem kündigten 38 AfD-Abgeordnete an, einen gesonderten Antrag ihrer Fraktion zu unterstützen, der zwar kein Gesetzentwurf ist, aber Spahns Pläne klar ablehnt. 194 Parlamentarier haben sich noch nicht entschieden oder machten in der Umfrage keine Angaben. Und vier Abgeordnete erklärten, dass sie an der Abstimmung im Bundestag am Donnerstag nicht teilnehmen können.

KNA

13.01.2020 - Ethik , Gesundheit , Politik