Volkstrauertag

Steinmeier ruft zur Erinnerung an Orte von Gewalt und Krieg auf

Am Volkstrauertag hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zur Erinnerung an konkrete Orte von Gewalt und Krieg aufgerufen. "Die Namen dieser Orte zu kennen, macht einen Unterschied - für unser Selbstverständnis als Nation ebenso wie für ein gemeinsames Verständnis als Europäer auf diesem Kontinent", sagte das Staatsoberhaupt am Sonntag bei der zentralen Gedenkstunde zum Volkstrauertag im Bundestag. Beispielsweise versage das Gedächtnis angesichts von Massenverbrechen an Zivilisten im Osten Europas. Am Volkstrauertag erinnern die Menschen in Deutschland an die Opfer der beiden Weltkriege sowie des Nationalsozialismus.

Wenn sich die Menschen erinnern wollten, müssten sie auch wissen, was diese Orte mit der Gegenwart verbinde, betonte Steinmeier. "Wenn wir verstehen, dass und wie diese Vergangenheit unsere Gegenwart prägt, dann werden wir uns auch für die verdrängten Kapitel der Geschichte stärker interessieren." Der Bundespräsident gab zu bedenken: "Wer wir sind und woran wir uns erinnern, verdanken wir einem komplexen Zusammenspiel: unserer Herkunft, den Orten und Ereignissen unserer Biografie und dem menschlichen Handeln - dem eigenen und dem unserer Vorfahren." Wenn Geschichte so verstanden werde, sei sie immer auch Familiengeschichte.

Die Erfahrung zweier Weltkriege, Schuld und Scham prägten das Verhältnis von deutscher Gesellschaft und deutscher Armee bis in die Gegenwart, sagte Steinmeier. Die Bundeswehr sei eine Parlamentsarmee und stehe "unverrückbar" auf dem Boden der demokratischen Verfassung. Allerdings empfänden viele Deutsche "Unbehagen" vor militärischen Ritualen.

"Für ein Land, dessen Name mit dem unendlichen Leid verbunden bleibt, das zwei Weltkriege über Europa gebracht haben, dessen Armee sich eines mörderischen Angriffskrieges schuldig gemacht hat, mag dieses Unbehagen verständlich sein", erläuterte Steinmeier. Aber: "Das macht es denen, die ihr Leben riskieren für unser Land, den Veteraninnen und Veteranen der Auslandseinsätze, erst recht den Familien der Gefallenen, wahrlich nicht leicht." Was eine Gesellschaft verdränge und verschweige, "bleiben wir als Gesellschaft schuldig: den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, den Versehrten, den Gefallenen und ihren Familien".

Die Verantwortung vor der Geschichte anzunehmen, dürfe nicht bedeuten, die Auseinandersetzung mit gegenwärtigen Konflikten und mit denen, die darin Verantwortung trügen, zu scheuen, betonte der Bundespräsident. Er rief dazu auf, Sprachlosigkeit zu überwinden. "Trauern - und darum geht es am heutigen Tag - Trauern wird erst möglich, wenn wir uns der Erinnerung stellen, auch der schmerzhaften." Daher sei Erinnerung "kein Selbstzweck und keine Bußübung", es gehe vielmehr um Gegenwart und Zukunft.

Steinmeier würdigte auch den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Dieser habe viele Jahrzehnte für die Erinnerung gearbeitet, indem er Orte gepflegt und geschaffen habe, an denen die Kriegsgegner von einst gemeinsam ihrer Toten gedenken könnten.

KNA

15.11.2021 - Deutschland , Politik , Trauer