Nach Gedenktag an das Massaker

Türkei weist "Völkermord"-Vorwurf durch Biden scharf zurück

US-Präsident Joe Biden hat mit seiner Anerkennung des Massakers an den christlichen Armeniern als "Völkermord" scharfe Kritik von Nato-Partner Türkei hervorgerufen. "Jedes Jahr erinnern wir an diesem Tag an all jene, die beim Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich starben, und verpflichten uns erneut zu verhindern, dass sich eine solche Gräueltat jemals wiederholt", erklärte Biden am Samstag. Es handle sich um die Bestätigung einer historischen Tatsache und gehe nicht darum, der Türkei "Vorwürfe zu machen", betonte Biden am 106. Jahrestag des Massakers.

Die Türkei, die es bis heute ablehnt, das Geschehen als Völkermord anzuerkennen, wies Bidens Erklärung empört zurück. Außenminister Mevlut Cavusoglu twitterte am Samstag: "Wir werden von niemandem Unterricht zu unserer Geschichte nehmen." Darüber hinaus bestellte das Außenministerium den US-Botschafter ein, um ihm Ankaras "starke Reaktion" zu übermitteln. Bidens Äußerungen hätten "eine Wunde" in die Beziehungen beider Länder geschlagen, "die schwer wiedergutzumachen" sei, kritisierte das Ministerium laut türkischen Medien.

Nach US-Medienberichten hatte zuvor bereits Präsident Ronald Reagan 1981 das Wort "Völkermord" verwendet, seine Nachfolger allerdings nicht mehr. Biden hatte bereits als Präsidentschaftskandidat angekündigt, das Armenien-Massaker offiziell als Genozid anerkennen zu wollen.

Auch Vertreter der katholischen Kirche erinnerten anlässlich des Gedenktags an das Massaker. Kurienkardinal Leonardo Sandri sprach im Päpstlichen Armenischen Kolleg in Rom von einem "Schandfleck in der Geschichte der Menschheit" und "systematisch geplantem Leid". Dennoch hätten die Armenier den "Schatz des Glaubens" nicht verloren, betonte der Präfekt der vatikanischen Ostkirchen-Kongregation. Der Völkermord von damals "zwingt uns jeden Tag, uns mit der Frage des Bösen in der Menschheitsgeschichte" auseinanderzusetzen, sagte Sandri.

Bereits am Montag hatte die US-Bischofskonferenz daran erinnert, dass der tragische Tod so vieler Armenier als erster Völkermord des 20. Jahrhunderts bezeichnet werde. "Mit dieser schrecklichen Tragödie sollten das armenische Volk und seine Kultur eliminiert werden", erklärte der Beauftragte für internationale Gerechtigkeit und Frieden der US-Bischofskonferenz, Bischof David J. Malloy.

Seitens der Deutschen Bischofskonferenz erklärte am Samstag deren Ökumenebeauftragter, Bischof Gerhard Feige: "Auch wenn mehr als 100 Jahre vergangen sind: Die Gewalttaten, die wir als den ersten Völkermord im 20. Jahrhundert erinnern, machen mich heute noch sprachlos." Das Leid, das die Deportation von bis zu anderthalb Millionen Armeniern, Syrern, Assyrern und Pontosgriechen aus ihren Heimatgebieten in der heutigen Türkei bedeutete, sei "unfassbar", unterstrich der Magdeburger Bischof in einem auf Facebook und Twitter veröffentlichten Video. "Mit Scham erfüllt die deutschen Bischöfe, dass die Regierung des Deutschen Reiches aus Machtkalkül zu diesen Ereignissen geschwiegen hat."

Feige erinnerte an den Besuch von Papst Franziskus in Armenien 2016, bei dem dieser die Hoffnung geäußert habe, dass alle Menschen, besonders auch die Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft, den Hass überwinden und nach Frieden und Zusammenarbeit der Völker suchen.

Am 24. April 1915 begann im Osmanischen Reich die systematische Verhaftung, Vertreibung und Ermordung der christlichen Armenier. Durch die Maßnahmen der Regierung der sogenannten Jungtürken kamen laut Schätzungen bis Ende des Ersten Weltkriegs bis zu 1,5 Millionen Menschen ums Leben.

KNA

26.04.2021 - Türkei , USA , Völkermord