Geheimgehaltenes verraten

Ungarnreise des Papstes sorgt für Überraschung und Rätsel

Gleich mehrere Male sorgte die Ungarnreise von Papst Franziskus vom 28. bis zum 30. April für Schlagzeilen. Die erste Neuigkeit betrifft die Gesundheit des Papstes. Der 86-Jährige zeigte sich einen Monat nach seinem dramatischen Klinikaufenthalt zwölf Tage vor Ostern wieder ausdauernd und in bester Laune. Das vom Vatikan zunächst auf ein Minimum zusammengestrichene Programm wurde im Lauf der Reise nach und nach wieder um zusätzliche Punkte erweitert, am zweiten Tag von vier auf sieben Begegnungen. Alle, zum Teil recht lange Reden las der Papst mit fester Stimme, immer wieder legte er kurze Strecken nicht im Rollstuhl, sondern - auf seine Gehilfe gestützt - zu Fuß zurück.

Erstmals informierte er selbst kurz und präzise über die schwere gesundheitliche Krise, die ihn zwölf Tage vor Ostern in die römische Gemelli-Klinik brachte. Es sei eine akute Lungenentzündung im unteren Bereich der Lunge mit hohem Fieber gewesen, teilte der Papst den Journalisten auf dem Flug von Budapest nach Rom am 30. April mit. Damit strafte er seinen Kommunikationsapparat Lügen, der zunächst von einer "geplanten Untersuchung" und später von einer Bronchitis gesprochen hatte.

Zugleich dementierte er ausdrücklich weitergehende Spekulationen, wonach er anfangs bewusstlos gewesen sei. Diese Variante wurde vor allem von konservativen Franziskus-Kritikern in sozialen Netzwerken immer wieder verbreitet. Sie sollte offenbar den Eindruck erwecken, dass dieses Pontifikat kurz vor dem Ende stehe.

Die zweite Überraschung betraf das Verhältnis von Franziskus und der ungarischen Regierung und Staatsführung. Zwar trat der Papst wie erwartet klar für eine Haltung der "offenen Türen" auch mit Blick auf Migranten ein. Explizite Kritik an der restriktiven Einwanderungspolitik Ungarns äußerte er jedoch nicht.

Stattdessen gab es Lob für die familienfreundliche Politik der ungarischen Regierung mit Steuervergünstigungen und Kindergeld. Und der Papst stellte sich in eine Reihe mit Ministerpräsident Viktor Orban bei der Kritik an EU-Institutionen, insofern sie ein "Recht auf Abtreibung" propagieren, das "Gender"-Denken fördern und sich selbst zu einer Art "Über-Regierung" machen wollen, die nationale und kulturelle Eigenheiten plattmachen könnte.

Im Gegenzug tadelte der Papst alle nationalistischen Populisten in der EU, die versuchten, die Union "in Geiselhaft" zu nehmen und zum Spielball ihrer Sonderinteressen zu machen. Das galt auch Orban. Als Schutzheilige für seinen eigenen konservativen europapolitischen Mittelkurs rief der Papst (wieder einmal) die EU-Gründerväter Alcide De Gasperi und Robert Schuman ins Gedächtnis. Langjährige Beobachter in Budapest werteten die politischen Botschaften des Papstes in Ungarn alles in allem als einen Punktsieg für Orban.

Die größten Erwartungen im Vorfeld des Besuchs in unmittelbarer Nachbarschaft zur Ukraine galten der Frage, ob Franziskus seine Reise zum Putin-Versteher Orban nutzen würde, um eine neue Friedensinitiative in Richtung Moskau und Kiew zur Beendigung des Ukrainekriegs zu starten. Auch hier wartete der Papst mit Überraschungen auf.

Außerhalb des Programms traf er den langjährigen Außenbeauftragten des Moskauer Patriarchats, Metropolit Hilarion, der seit 2022 - mutmaßlich von seinem Chef, dem Moskauer Patriarchen Kyrill I., degradiert - in Ungarn die kleine Schar der dort lebenden Russisch-Orthodoxen betreut. Die größte Überraschung gelang ihm aber bei der fliegenden Pressekonferenz auf dem Rückflug, als er ankündigte, in Sachen Frieden sei eine vatikanische "Mission" im Gang, über die er aber erst zu gegebener Zeit mehr sagen könne. Zudem lobte er seine russischen Gesprächspartner und wiederholte seinen Wunsch nach einem erneuten Treffen mit Kyrill.

Andrii Yurasch, ukrainischer Botschafter beim Heiligen Stuhl und bislang häufig als Kritiker der fehlenden päpstlichen Kritik am russischen Aggressor aufgetreten, lobte am nächsten Tag prompt die vatikanisch-ukrainischen Beziehungen. Via Twitter bescheinigte er ihnen ein "jetzt viel höheres Niveau konstanter Interaktion und vertrauensvollen Austauschs".

Vorausgegangen war der Vatikan-Besuch des ukrainischen Ministerpräsidenten Denys Schmyhal in der vergangenen Woche, bei dem es um eine päpstliche Vermittlung in der Frage der Rückführung der von Russen entführten Kinder in die Ukraine ging. Ob die vom Papst geheimnisvoll angekündigte "Mission" noch weit mehr als einen solchen humanitären Zweck hat, blieb zunächst offen. Bislang hatte Franziskus vergeblich versucht, sich beiden Seiten als neutraler Vermittler anzudienen.

Ludwig Ring-Eifel/KNA

02.05.2023 - Papst , Reise , Ungarn